Eine Holzfassade, die ohne weitere Materialien auskommt
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Zirkularität als neue Zukunftsrendite – Teil 2.

Die Diskussionen unter dem Kürzel ESG gewinnen mehr Raum und das Wissen rund um EU-Taxonomie und Co. kommt langsam in der Breite der Branche an. In Teil 1 von diesem Beitrag haben wir bereits aufgezeigt, wo wir als Branche – eingeordnet in den größeren Kontext – stehen. Nun stellen wir einen Praxisbezug her und benennen die Entwicklungen, mit denen Sie planen sollten.


Dieser Beitrag erschien zuerst im Magazin "ESG kompakt" für die FondsForum Plattform. Autor ist Jürgen Utz (Leiter Nachhaltigkeit bei der LIST Gruppe), der im Rahmen der ESG Konferenz am 27./28. April 2023 einen Vortrag zum Thema "Biodiversität" gehalten hat. Schwerpunkt in diesem Artikel ist das Thema Zirkularität.

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Das Fundament für Kreisläufe.

Was sind dafür nun die Voraussetzungen und wo stehen wir aktuell? Auf der einen Seite gibt es hervorragende Grundlagen und Beispielprojekte: Rathaus Korbach, die Arbeiten von baubüro in situ oder ZRS, Publikationen von Prof. Hebel oder Prof. Heisel, das Urban-Mining-Konzept von Prof. Anja Rosen, der DGNB Gebäuderessourcenpass, der DETAIL Atlas Recycling, viele Forschungsarbeiten wie z.B. das CEWI-Projekt, die Normenentwicklung via DIN Spec und vieles mehr. Nicht zuletzt geht die Entwicklung auch dank Concular und Madaster voran, wo wir als LIST Gruppe jeweils als Partner unseren Beitrag leisten. Faktisch geht schon sehr viel, vor allem in Verbindung mit intelligenter Anwendung von BIM und hier ist das Potenzial noch nicht annähernd ausgeschöpft.

In der LIST Gruppe ist Zirkularität inzwischen ein wichtiges Thema, nicht zuletzt aufgrund der Expertise unserer Einheit LIST Eco, welche diese auch als Dienstleistungen anbietet. Dort steht die kombinierte Betrachtung aller CO2e-Emissionen, der Zirkularität und möglicher Schadstoffe im Fokus. Über Variantenstudien kann so zum Beispiel der CO2e-Benchmark des Kunden in Kombination mit einer möglichst hohen Zirkularität eingehalten oder eine optimierte Balance der Parameter erarbeitet werden. Kombiniert mit Kosten für jede Variante entsteht so eine solide Entscheidungsgrundlage, sei es für Anforderungen aus einem ESG-Kontext, eine Zertifizierung oder aufgrund von Vorgaben des Investors. Die Variantenentwicklung ist dabei entscheidend. Denn es kann durchaus Sinn machen, bei der Konstruktion einen höheren CO2e-Wert zu akzeptieren, wenn die verbauten Materialien bzw. Bauteile zerstörungsfrei entnommen und erneut verwendet werden können. Dies spart zukünftige Emissionen. Nun braucht es nur noch ein System für eine Gutschrift der damit generierten „Carbon Future Credits“. Unabhängig davon macht dieses Vorgehen für ein kluges Risikomanagement einfach Sinn. Natürlich gibt es noch Hürden bei der Umsetzung. Will man zum Beispiel Sekundärbauteile/-rohstoffe nutzen, stellen sich neben der terminlichen Verfügbarkeit und den Kosten auch oftmals Fragen der bauaufsichtlichen Zulassung. Das ist aber eine politische Aufgabe, hier Lösungen bereitzustellen. Die Datenbanken und Plattformen, oder sollte man besser sagen „Online- Shops“ für Sekundär-Materialien wachsen schon und werden in Folge des zunehmenden Drucks bei der Ressourcen-Verfügbarkeit und Anforderungen der Regulatorik an Bedeutung schnell gewinnen. Hier entsteht ein neuer Markt.

Die effektive Zirkularität wird schlussendlich aber, aus meiner Sicht, von vier Gruppen maßgeblich bestimmt: Gesetzgeber, Investoren, Planern, Herstellern. Die gemeinsame Basis sind einheitlich verfügbare Daten. Der Gesetzgeber sollte die Möglichkeiten der Immobilienbewertung in Bezug auf zirkuläres Bauen so anpassen, dass sich langfristige Investitionen lohnen und der „eingebaute Klimaschutz“ bilanziert und gehandelt werden kann. Dies ist das zweite Standbein der Transformation, ergänzend zuden Anforderungen wie sie von der EU-Taxonomie (DNSH) und SFDR für die Circular Economy schon definiert sind. Das ist wichtig für den Investor, um Sicherheit zu haben bzgl. Reporting sowie Bewertung und Wertstabilität seiner Objekte. Für den Architekten, um seine Entwürfe hinsichtlich CO2e sowie Zirkularität bilanzieren und in Varianten optimieren zu können. Und für die Hersteller, weil diese zukünftig auf das anthropogene Lager zugreifen werden, ggf. über neue Miet-/Leasingmodelle für ganze Bauteile. An allen Stellen gibt es noch Arbeit: bei den Daten- und Modellierungsstandards, bei der Datenverfügbarkeit, beim Verständnis der Investoren und Planer. Wir sehen aber aktuell in der Zusammenarbeit mit unseren Partnern für das zirkuläre Bauen schon erste Erfolge und sind überzeugt, dass die kritischen Datenmengen für die Dokumentation der Zirkularität und eine Echtzeit-Sekundärbauteil-/rohstoffbörse durchaus erreichbar sind. Und ein Blick in die Niederlande lässt einen neidisch werden, wie weit dort das zirkuläre Bauen und die Bewertung entsprechender Objekte schon vorangeschritten sind.

Bei all diesen Ansätzen sollte man immer im Hinterkopf behalten: Auch eine theoretisch 100 Prozent zirkuläre, emissionsfreie Immobilie hat einen ökologischen Fußabdruck. Ein Rebound-Effekt, wonach man von solchen Immobilien guten Gewissens mehr bauen kann, womit der absolute Ressourcenverbrauch nicht sinken würde, gilt es zu vermeiden.

Geld liebt Transparenz.

Schon heutige ESG Due Dilligence betrachten die Zirkularität. Der Gebäuderessourcenpass im Verbund mit der EU-Taxonomie und Tools wie Madaster werden hier zeitnah noch viel präzisere Bewertungenermöglichen. Die Messlatte wird nach oben wandern. Alles andere wäre, bei einer Lebensdauer von 20 bis 50+ Jahren für Immobilien auch absurd. Denn wir sprechen hier von Geldanlagen, die 2050- 2075 auch noch funktionieren müssen also wenn die Marktbedingungen vollkommen andere und Klimaneutralität dann Realität sein werden. Schon heute kann man bei Banken und Versicherungen die ersten Veränderungen bei den Richtlinien für Finanzierungen beobachten, nicht zuletzt wegen Klimastresstests, MIFID II und GAR (Green Asset Ratio). Ebenso stellen große Corporates, basierend auf den eigenen ESG-Direktiven und der CSRD, höhere Anforderungen an die Mietobjekte.

Damit zeichnet sich ab, dass jeder in der Zukunft spart, der heute so zirkulär als möglich baut. Was manchem noch wie eine gewagte These klingen mag, lässt sich logisch herleiten: CO2e-Emissionen müssen transparent gemacht werden, sie bekommen einen stetig steigenden Preis (Zertifikate; ETS-II) und jeder Rück-/Umbau, der nicht in einen geschlossenen, emissionsfreien Kreislauf geht, wird damit nicht als Rohstoff-/Ertragsquelle gewertet, sondern als Kosten-/Risikofaktor. Für Objekte mit geringer Zirkularität werden sich die Konditionen am Kapital-/Transfermarkt verschlechtern, die potenziellen Mieter werden parallel weniger.

Die Circular Economy als DNSH-Anforderung ist schon in der EU-Taxonomie vorhanden und die Anforderungen als Schutzziel sind nochmals deutlich ambitionierter. Die aktuelle Studie der DGNB hierzu, an der wir beteiligt waren, stellt eindrücklich die existierende Ist-Soll-Lücke dar. Es ist davon auszugehen, dass zeitnah nicht nur THG-Emissionen ein harter Bemessungsfaktor bei der Wertermittlung von Immobilien sein werden. Wer nun hier keine Überraschungen erleben will, sollte sich über den Zirkularitätsindex seiner Assets ernsthaft Gedanken machen.

You can’t have the cake AND eat it.

Neben dem Aspekt der THG-Reduktion bietet eine konsequente Ausrichtung auf eine echte Kreislaufwirtschaft viele positive Nebeneffekte: neue Wertschöpfungsketten, lokale Stoffkreisläufe, Reduktion der Abhängigkeit von Importen, keine Primärrohstoffentnahme, kein Verlust von Flächen und Arten, geringere Energiebedarfe für Materialbereitstellung, keine Probleme mit Menschenrechten in den Lieferketten (LkSG) und vieles mehr. Es macht für uns alle also nicht nur ökologisch Sinn, sondern auch ökonomisch.

Hart gesagt: Der vergangene Erfolg vieler wirtschaftlicher Aktivitäten wurde mit einer Hypothek auf die Zukunft der nächsten Generation bezahlt. Diese wird die Kosten der Klima- und Ökokrise bezahlen müssen. Und die Debatte darüber, wer für die historischen Emissionen aufkommen wird, die den bisherigen Klimawandel verursacht haben und immer noch weiter wirken, hat noch gar nicht richtig begonnen. Klar ist inzwischen, dass unser aktuelles Wirtschaftssystem und gleichzeitig unsere Lebensgrundlagen erhalten nicht geht. Es werden also dynamische Zeiten bleiben. Wir sollten den Wandel gestalten, so gut wir es noch können.

Daher zum Abschluss die naheliegende Frage: Wer setzt bei Ihnen sicheren Kurs bei diesem Thema? LIST Eco hilft Ihnen als Lotse und ist Ihr  Partner für bessere Immobilien.

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Über den Autor.

Der studierte Biologe und Architekt Jürgen Utz befasst sich seit fast 15 Jahren mit Themen rund um Nachhaltigkeit und Klimawandel. Damit vereint er Wissen aus zwei Disziplinen und verfügt so über fachübergreifende Expertise. Diese ganzheitliche Perspektive zu nachhaltigen Themen bringt er als Leiter Nachhaltigkeit bei der LIST Gruppe ein, um bestehende Prozesse zu hinterfragen und das Immobiliengeschäft neu zu denken. Vor seiner Tätigkeit bei LIST baute er die DGNB Akademie als Leiter erfolgreich weiter aus, die Fort- und Weiterbildungen zu allen Themen der Nachhaltigkeit im Bau- und Immobilienbereich bietet. Er selbst sieht sich als Experte für den disziplinübergreifenden Ansatz, also Themen zusammenzubringen, den Überblick über Schnittstellen und Synergien zu haben und andere Experten miteinander zu vernetzen.