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Vier Wege, Biodiversität in Gebäude zu integrieren. Nachhaltigkeit in der Entwicklungsphase.

Durch relativ einfache und kostengünstige Maßnahmen können Gebäude einen wertvollen Beitrag in einem städtischen Ökosystem leisten. Um das zu erreichen, ist es wichtig, die biologische Vielfalt bereits in die Entwicklung der Gebäude zu integrieren.

Um ein besseres Umfeld zum Leben zu verwirklichen, muss der Bedarf von Beginn an in den Planungsprozess mit einbezogen werden. Wir stellen in diesem Beitrag vier Ideen vor, mit welchen Maßnahmen ein Gebäude einen wesentlichen Beitrag für mehr Biodiversität leisten kann.

1. Das Gründach

Der Trend der Dachbegrünungen ist vielen bestimmt schon bekannt. Sie bereichern das Stadtbild, sofern sie wahrnehmbar oder im Idealfall sogar zugänglich sind und tragen dazu bei, dass sich auch die bereits vorhandene natürliche Umgebung weiterentwickeln kann. Bei richtiger Gestaltung – durch Experten – bieten sie einen ausgezeichneten Lebensraum für eine Vielzahl von Pflanzen und Tieren. So leisten sie einen wichtigen Beitrag zur biologischen Vielfalt.

Dabei wird die Begrünung so gestaltet, dass sie für möglichst viele Tierarten einen Lebensraum schafft. Das beinhaltet z. B. Nistmöglichkeiten für Vögel und Fledermäuse. Außerdem werden die Pflanzen auf dem Dach passend zur vorhandenen natürlichen Umgebung und den Umweltbedingungen am Standort ausgewählt. Nicht zu vernachlässigen ist auch ein auf die Bepflanzung abgestimmter Substrataufbau. Ideal ist zudem eine Mischung an „Biotoptypen“ und daran angepasste Pflanzen.

Wie klimaresistent Pflanzen sind, spielt bei der Auswahl auch eine wichtige Rolle. Einige Pflanzen können auf fast jedem Dach gepflanzt werden. Dazu gehören Sedum, Gräser, Nelkenarten oder Gewürzpflanzen wie Thymian. Sie benötigen nur wenig Wasser und sind hitze- und frostbeständig.

Neben Pflanzen bieten Gründächer auch vielen Lebewesen einen Lebensraum in der Stadt. Dazu zählen (Wild)Bienen, Käfer, Schmetterlinge, Ameisen, Vögel und auch kleine Nager. Somit leisten Dachbegrünungen einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt. Um einen Lebensraum für diese Tiere zu schaffen, ist es außerdem elementar, den Futterbedarf zu bedenken. Daher muss schon bei der Planung des Daches und der Auswahl der Bepflanzung feststehen, welche Lebewesen sich dort einmal ansiedeln sollen.

2. Das Sumpfdach

Neben dem Gründach gibt es noch eine weitere Alternative ein „nachhaltiges Dach“ zu gestalten – das Sumpfdach (wetland roof). Flachdächer jeglicher Gebäude können so konstruiert werden, dass sie eine gewisse Menge an Niederschlag abfangen und auch halten. Überschüssiges Wasser fließt über die Dachrinne ab oder verdunstet. Das Besondere ist, dass das Dach mit Sumpfpflanzen und Wasser bedeckt wird und damit erhebliche funktionale Vorteile bietet.

Sumpfdächer werden nämlich auch als „natürliche Klimaanlagen“ bezeichnet. In den wärmeren Monaten wird die Hitze, der darunter liegenden Bauteile, durch die Verdunstung und Transpiration der Pflanzen im Wasser abgeführt. In den kälteren Monaten bietet das Flachdach aufgrund seiner dämmenden Wirkung, einen zusätzlichen Schutz gegen Wärmeverlust.

Das Dach wird mit hydrophilen Pflanzenarten bestückt, wie z. B. Sumpfdotterblumen, Wasserschwertlilien, Blutweiderich, Binsen und Seggen. Gleichzeitig dient der „Sumpf“ als Trinkwasser für Vögel und zieht Insekten an. Diese wiederum bieten eine Nahrungsquelle für weitere Tierarten, wie zum Beispiel Fledermäuse.

Ein Sumpfdach, das Wasserpflanzen und/oder einen Helophytenfilter (ein künstliches Feuchtgebiet, in dem Pflanzen wie Schilf das Wasser filtern) enthält, kann auch als Lebensraum für Fische dienen. Dafür muss bereits in der Planung eine gewisse Tiefe eingeplant werden. Diese halten dann das Wasser sauber, indem sie sich von Mückenlarven und Algen ernähren. So kann auch dieses Dach einen Lebensraum für eine Vielzahl von Pflanzen und Tieren bieten und leistet einen wichtigen Beitrag zur Bewahrung der biologischen Vielfalt.

3. Der Fledermauskasten

Fledermäuse sind ein wichtiger Bestandteil eines funktionierenden Ökosystems. Mit der Bestäubung, Samenverbreitung und der Schädlingsbekämpfung erfüllen sie eine wichtige Funktion in der Tierwelt. Deshalb ist es wichtig, für sie ein fledermausfreundliches Umfeld zu schaffen.

Mit Fledermauskästen kann man ihnen eine Heimat in der Stadt bieten. Die Kästen lassen sich beim Bau neuer Gebäude einfach in die Fassade integrieren. Sie können zum einen sichtbar, zum anderen aber auch unsichtbar in Hohlwände des Gebäudes eingebracht werden. Ein eher versteckter Platz in der Hohlwand wird jedoch empfohlen, da er den Fledermäusen ein besseres Klima bietet.

Offene Fugen und Spalten zwischen Häusern bieten zusätzlich gute Quartiermöglichkeiten, wobei diese nicht durch Dämmstoffe etc. verdeckt werden sollten. Bei der Einplanung dieser Kästen sollte gleichzeitig auch an ein Nahrungsangebot gedacht werden. Die Fledermäuse brauchen neben einem Zuhause, auch die passende Nahrung. Eine gute Möglichkeit dafür ist z. B. ein Gründach, das die Fledermäuse mit dort lebenden Insekten versorgen kann.

4. Der Bienenklinker

In der Stadt Brighton in England sind Bienenklinker derzeit in der Diskussion. Eine neue Regelung sieht vor, dass alle Neubauten über fünf Meter Höhe Bienenklinker einbauen. Die Bausteine haben die gleiche Größe und Form wie herkömmliche Klinker – mit der Besonderheit, dass sie kleine Öffnungen bieten, in denen sich Bienen einnisten können.

Die Klinker sollen ihnen einen neuen Lebensraum, besonders in Städten, bieten. Die Steine stellen existierende Nester nach und sollen besonders das Nest von Einsiedlerbienen kopieren. Diese Art gehört zu den aussterbenden Wildbienen und lebt „alleine“ ohne ein Bienenvolk. Ihr Aussterben wäre aus ökologischer Sicht noch schwerwiegender, als das der Honigbiene. Grund dafür: Forscher:innen fanden heraus, dass Pflanzen, die von Wildbienen besucht wurden, doppelt so viele Fruchtansätze hervorbringen wie Pflanzen, die von Honigbienen bestäubt wurden. Deshalb soll das Wachstum und die Ausbreitung dieser Art gefördert werden.

Ein Aspekt der beim Einsatz dieser Klinker sehr wichtig ist, ist das Nahrungsangebot für die Bienen. Um die Insekten zu schützen, braucht es nicht nur ein neues Zuhause, sondern auch eine garantierte Nahrungsquelle. Diese muss das ganze Jahr zur Verfügung stehen und kann beispielsweise in ein Bepflanzungskonzept integriert werden.

Da der Bienenklinker bisher noch nicht verbreitet und ausführlich getestet wurden, sind wir besonders gespannt, wo die Reise hinführt und was die ersten Auswertungen aus England ergeben werden. Vielleicht sehen wir diesen Trend bald auch in Deutschland.

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Expertenmeinung

Die Biodiversität ist das am meisten unterschätzte Risiko für unsere nahe Zukunft. Sowohl aufgrund der wirtschaftlich genutzten Ökosystemleistungen, die man auf ca. 125 Trillionen US-Dollar pro Jahr schätzt. Wie auch schlicht als Grundlage für alles, was wir zum Leben brauchen, allem voran unsere Lebensmittel.

Bauen hat aufgrund des Flächenverbrauchs einen immensen Einfluss auf den Artenverlust direkt am Standort und auch indirekt durch die Gewinnung von Rohstoffen, deren Deponierung und die Effekte aus dem Gebäudebetrieb. Hier sind vor allem die Emissionen und damit der Klimawandel ein Haupttreiber des Verlusts von Biodiversität. Somit ist es mehr als angemessen, der Natur möglichst viel Raum zurück zu geben. Aus reinem Eigennutzen und weil es die bereits vorgestellten, klare Vorteile mit sich bringt.

Am besten geschieht dies, indem auf Ebene der Regionalplanung gestartet und das Thema konsequent im Quartier verankert wird. Von Erholungsräumen über die „essbare Stadt“ bis hin zur Vernetzung von Einzelmaßnahmen über Trittsteinbiotope, es gibt viele Optionen. Die Natur hält sich nicht an Grundstücksgrenzen oder andere Strukturen, darum muss man über das eigene Gebäude hinaus schauen.

Ganz nebenbei ist Begrünung in Kombination mit Wassermanagement die beste Option zur Klimaanpassung, sowohl was Hitze betrifft also auch Starkregenereignisse. Die sogenannte blau-grüne Infrastruktur wird eine Schlüsselrolle spielen und bildet die Basis für Biodiversität. Dabei zählt jede Maßnahme. Aber eigentlich sollte man ein echtes Biodiversitätskonzept anstreben, das die vielen Aspekte schlüssig zusammenführt. Von den positiven Effekten für das Gebäude und deren Nutzer, über die Kosten und Fördermöglichkeiten bis zur Einbindung ins Quartier sowie einem gezielten Beitrag zu Klimawandelanpassung. Das sind noch lange nicht alle Aspekte und der integrale Ansatz dient auch dazu, Fehler zu vermeiden, wie z.B. eine falsche Beleuchtung, die Insektenfallen darstellt.

Unerwähnt darf hier auch nicht bleiben, dass die EU-Taxonomie sowohl Biodiversität wie auch Klimaanpassung als eigene Schutzziele formuliert. Das Thema ist also gesetzt – endlich!

Jürgen Utz
Leiter Nachhaltigkeitsentwicklung bei der LIST AG