Nächster Lebensabschnitt: drei Revitalisierungen, drei individuelle Geschichten.

Bauen im Bestand – klingt technisch und ist es auch. Aber eine Revitalisierung ist mehr als nur der rein physische Umbau einer in die Jahre gekommenen Immobilie. Sie ist auch eine ganz individuelle Wiederbelebung. Der Schritt aus der Vergangenheit in die Zukunft. Und in Teilen auch ein Abbild gesellschaftlicher Entwicklungen. Denn die Umnutzung beispielsweise von einem Wohnheim zu einem Apartmenthaus findet ja nicht ohne Grund statt.

Gemeinsam mit Michel John, Vertriebsingenieur und Prokurist von LIST BiB Bielefeld, haben wir uns anhand von drei Projekten beides einmal etwas genauer angeschaut: die Daten und Fakten wie auch die individuellen Geschichten hinter den Revitalisierungen.

01 | Wo einst die Bahn fuhr, wird jetzt übernachtet.

Welche Geschichte hat die Immobilie zu erzählen?
Michel John: „In Hannover haben wir es mit einem neungeschossigen und kleinteiligen Gebäude zu tun. Es ist Teil des ehemaligen Hauptgüterbahnhofs Hannovers. Bis 1997 herrschte auf dem Areal reges Treiben. Es wurden Waren umgeschlagen – zuhauf. Lange war der Umschlagplatz eine der modernsten Anlagen seiner Zeit. Aber nach und nach wendete sich das Blatt. Das Quartier wurde von der Zeit überholt. Wurde nicht mehr gebraucht. Und schließlich geschlossen. Es folgten zwar verschiedene Ansätze zur Weiternutzung, aber die Konzepte gingen langfristig nicht auf. 2015 kam mit dem Abriss der nördlichen Hallenteile beziehungsweise der Genehmigung dafür wieder Bewegung ins Spiel. Seitdem wandelt sich der ‚Lost Place‘ Tag für Tag. Unter anderem haben Großhandel, Gastronomie und Freizeitangebote bereits in den Hallen Platz gefunden. Es herrscht schon jetzt wieder reges Treiben auf dem Gelände – aber eben ein anderes als im vergangenen Jahrhundert. Unser Hotelvorhaben wird den Quartiersgedanken des Projektes noch weiter stärken. Die Immobilie ist bekannt als der Hochpunkt des ehemaligen Güterbahnhofs Hannovers und hat damit eine symbolische Bedeutung. Nach Jahren des Verfalls wird es energetisch saniert und nun zu einem Hotel mit 74 Zimmern und einem angebauten Frühstücksraum im Erdgeschoss umgebaut. Dabei wird es auch nach Fertigstellung immer noch als der Hochpunkt erkennbar bleiben und Leuchtturm-Charakter beibehalten.“

Warum spielt die ehemalige Nutzung nach wie vor eine Rolle?
Michel John: „Bahnhöfe sind öffentliche Orte, mit denen die Menschen ganz individuelle Geschichten verbinden. Es wäre viel zu schade, das alles mit einer Abrissbirne vergessen zu machen. Außerdem bringen Bahnhöfe eigentlich immer einen ganz anderen wichtigen Faktor mit: und zwar die Lage in Verbindung mit Platz. Soll heißen, dass wir uns hier ganz zentral in Hannover befinden und die Besucher trotzdem eine gewisse Weite spüren können. Diese Atmosphäre verleiht dem Gelände einen ganz besonderen Charakter. Und wenn das Hotel eröffnet hat, werden die Gäste genau das spüren, wenn sie morgens nach dem Aufwachen einen Blick aus dem Fenster werfen.“ 

 

Und was treibt ihr hier in technischer Hinsicht?
Michel John: „Wir haben ein vollständig entkerntes Gebäude übergeben bekommen – das ist so etwas wie ein Idealzustand für alle Beteiligten, würde ich sagen. Denn ‚böse Überraschungen‘ haben nicht mehr die Möglichkeit, sich hinter Putz, Bodenbelägen und Co. zu verstecken. Rein äußerlich passen wir die Immobilie in das Gesamtbild des Quartiers ein und montieren eine dunkle Trapezblechfassade. Im Inneren machen wir all das, was die Neubau-Kollegen nach der Fertigstellung des Rohbaus auch machen. Allerdings innerhalb der gegebenen Rahmenbedingungen. Da muss jeder Eingriff ganz genau sitzen.

Eingestiegen sind wir in das Projekt allerdings bereits knapp ein Jahr vor Baustart  mit der Entwurfs- und Bauantragsplanung. Das ist durchaus üblich, denn bereits in diesem frühen Projektstadium sind aufgrund der Bestandsprüfung ganz praxisnahe Fragen zu klären. Dabei sind wir dann aber auch einer Herausforderung begegnet, die nicht unbedingt technischer Natur ist: die Statik. Denn die gab es nicht – zumindest nicht auf dem Papier. Deshalb haben wir einige Stunden im Stadtarchiv verbracht. Ein bisschen was Brauchbares konnten wir auch tatsächlich finden. Trotzdem mussten wir im Objekt selbst noch einige Stichproben nehmen, um eine aussagekräftige Statik zusammenstellen zu können.“ 

 

Eckdaten

Projekt: Centro Hotel im Hauptgüterbahnhof Hannover
Auftraggeber: Aurelis Asset GmbH, Eschborn
schlüsselfertige Revitalisierung: LIST BiB Bielefeld GmbH & Co. KG
Erstbegehung von LIST BiB Bielefeld: April 2019
Baustart: Januar 2020
Fertigstellung: Frühjahr 2021
Baujahr des Gebäudes: 1950er Jahre
vergangene Nutzung: ehemaliges Wohnheim und Büro der Deutschen Bahn
zukünftige Nutzung: Hotel
Mietfläche: ca. 3.000 qm
Lage: zentral im hannoverschen Stadtgebiet

02 | Der Handel hält Schritt.

Was ist daran spannend, wenn ein Einkaufscenter ein Einkaufscenter bleibt?
Michel John: „Der Lebenszyklus von Handelsimmobilien ist besonders kurz. Die Ansprüche der Kunden und damit auch die Konzepte der Händler verändern sich immer schneller. Handelsimmobilien – gerade in dieser Größenordnung – sind längst kein Selbstläufer mehr. Und genau das hat der Emspark zu spüren bekommen. Mieter, die sich aus der Immobilie zurückgezogen haben, machten kein Geheimnis aus der schlechten Verfassung des Gebäudes. Und ja, es musste dringend etwas passieren. Die Aufenthaltsqualität war gleich null, die Technik veraltet und die Mietflächen entsprachen nicht mehr dem, was wir so aus den aktuellen Mieterbeschreibungen kennen. Aber das Gute ist ja, dass wir daran etwas ändern konnten. Nach eineinhalb Jahren Bauzeit eröffnete der Emspark im letzten Jahr neu. Grob betrachtet ist es bei einem großflächigen Einkaufscenter geblieben. Aber bei genauerem Hinschauen hat sich sehr viel getan. Eine der größten Veränderungen: Die bestehende, innenliegende Mall gibt es nicht mehr. Rund die Hälfte der knapp 20 Mietflächen ist jetzt über großzügige Eingänge von außen erreichbar. Das verkürzt die Wege der Kunden enorm. Jetzt kann der Großeinkauf auf direktem Weg ins Auto verfrachtet werden.“

 

Und die Mieter, die geblieben sind, wurden in der Zwischenzeit einfach auf die Straße gesetzt?
Michel John: „Bei so umfangreichen Arbeiten ist ein Großteil der Flächen natürlich lange nicht betriebsfähig. Aber tatsächlich mussten nicht alle Geschäfte ihre Türen schließen. Die angrenzenden Händler toom und Dänisches Bettenlager konnten ihren Betrieb am Laufen halten. Da ist viel Abstimmung notwendig, aber in enger Zusammenarbeit geht das.“

Kannst du uns noch einen Einblick in die weiteren Herausforderungen geben?
Michel John: „Fast 20.000 qm, knapp 20 Mieter mit unterschiedlichsten Ansprüchen und von Abriss über Umbau bis hin zu Neubau alles dabei – der Emspark war für uns alles andere als eine klassische Revitalisierung. Für Außenstehende wirkt das Projekt erst einmal nicht so umfangreich, weil wir aus Kundensicht ja im Grunde ‚nur‘ die nötige Modernisierung durchgeführt haben. Aber die Koordinations- und Kommunikationsanforderungen waren deutlich höher als in manch einem anderen Projekt mit Umnutzung.“

Eckdaten

Projekt: Emspark, Leer
Auftraggeber: German Retail Box (Jersey)
schlüsselfertige Revitalisierung: LIST BiB Bielefeld GmbH & Co. KG
Erstbegehung von LIST BiB Bielefeld: März 2017
Baustart: Februar 2018
Fertigstellung: Sommer 2019
Baujahr des Gebäudes: 1996
vergangene Nutzung: Einkaufscenter
zukünftige Nutzung: Einkaufscenter
Verkaufsfläche: ca. 19.000 qm
Lage: zwischen der A31 und der B70, gute Autoanbindung

03 | Gewohnt wird weiterhin, aber anders.

Welche Vergangenheit und welche Zukunft treffen in diesem Projekt aufeinander?
Michel John: „Der Begriff abgewohnt beschreibt ganz gut das Objekt, das wir hier kennengelernt haben. Das Gebäude ist ziemlich genau 50 Jahre alt und hatte die besten Zeiten definitiv hinter sich, als wir es erstmals betraten. Zum Schluss wurde es als Wohnheim genutzt und war während unserer Angebotsphase tatsächlich noch in Betrieb. Wir mussten bei der Bestandsaufnahme in den Zimmern fragen, ob wir reinkommen dürfen. Komische Situation. Aber das gehört auch mal dazu. In Zukunft wird die Wohnsituation in der Immobilie eine ganz andere sein. Aus den kahlen ‚Kammern‘ ohne Selbstversorgungsmöglichkeiten werden moderne Serviced-Apartments mit eigener Küchenzeile und vor allem auch eigenem Bad. Und mögliche Mieter werden im zukünftigen ‚Cubus 130‘ sich nur so darum reißen, da bin ich mir sicher. Denn was da am Frankfurter Wohnungsmarkt ‚abgeht‘, ist verrückt. Die Nachfrage steigt und steigt – vor allem auch neben der klassischen Wohnung. Wir sprechen hier natürlich von einer bestimmten Zielgruppe, aber die entsprechenden Mieter sind zum Beispiel nur unter der Woche da. Da braucht es keine Dreizimmerwohnung. Die 137 Microapartments, die wir hier errichten, sind hingegen genau das Richtige.“
 

Welche Überraschung hatte die Immobilie für euch parat?
Michel John: „Weil wir das Objekt nicht entkernt übernommen haben, konnten wir vor Baustart den Zustand des Rohbaus nicht vollständig überprüfen. Und genau das hat uns im Verlauf der Revitalisierungsarbeiten eingeholt. Denn leider haben wir nicht an allen Stellen, wo auf den Plänen Betonwände eingezeichnet waren, auch welche vorgefunden. An mehr Stellen, als uns lieb war, waren leider nur Bimssteine verbaut. Und die sind nicht ausreichend tragfähig. Also hieß es für uns: ganze Wände zurückbauen und erneuern. Das kostet: Zeit und Geld.

Dafür haben wir den Bestand an anderer Stelle ‚überlistet‘ und Zeit aufgeholt. In der Vergangenheit nutzten die Bewohner Gemeinschaftsbäder und -küchen. In Zukunft hat jeder Bewohner in seiner Wohneinheit eine Küchenzeile und auch ein eigenes Bad integriert. Das bedeutet einen hohen baulichen Aufwand. Und eigentlich ebenso einen hohen zeitlichen Aufwand, weil sämtliche Leitungen üblicherweise mit vielen einzelnen Kernbohrungen durch die Geschossdecken geführt werden. In diesem Projekt haben wir gemeinsam mit Geberit aber spezielle Module vorgeplant, in denen alle Leitungen für einen Deckendurchbruch bereits enthalten sind. Bei der Montage kam es dann natürlich auch auf den letzten Zentimeter an, dafür konnten wir aber enorm viel Zeit sparen.“

Und gibts sonst noch was?
Michel John: „Die markante Fassade seht ihr ja selbst. Das kann man mal wirklich als Hingucker bezeichnen, würde ich sagen. Und eine absolute Wertsteigerung für das Objekt und auch die Mieter sind die freihängenden Balkone und Terrassen, die wir ergänzt haben.“

 

Eckdaten

Projekt: Cube Ruby 923
Auftraggeber: Cube Real Estate GmbH
Eigentümer: Nassauische Heimstätte
schlüsselfertige Revitalisierung: LIST BiB Bielefeld GmbH & Co. KG
Erstbegehung von LIST BiB Bielefeld: Juli 2018
Baustart: Frühjahr 2019
Fertigstellung: Sommer 2020
Baujahr des Gebäudes: 1970
vergangene Nutzung: Wohnheim
zukünftige Nutzung: Apartmenthaus mit Microapartments
Wohnfläche: ca. 3.000 qm
Lage: im Stadtteil Niederrad („Bürostadt“), gute S-Bahn-Anbindung