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How-to ESG. Erst die Feinheiten, dann der Rest.

Das haben wir schon immer so gemacht – die Zeiten sind vorbei! Gute Immobilien-Produkte brauchen zwingend einen neuen, iterativen und in großen Teilen digitalen Entstehungsprozess. Und in diesem müssen die vielen verschiedenen Details – anders als eben früher – nicht erst nach und nach im Projektverlauf, sondern direkt in der Vor- und Entwurfsplanung geklärt werden. Damit steht unsere Branche kopf. Auf das Bauchgefühl und die bisherigen Erfahrungswerte ist nur noch bedingt Verlass. Deshalb ist die Suche nach neuen Masterplänen eröffnet. Die Kolleg:innen von LIST Eco geben uns einen Einblick in ihren Weg für das E in ESG.

Die ESG-Wende hat so einige Herausforderungen für die Entwicklung und Bewertung von Immobilien- und Quartierskonzepten im Gepäck. Wir werden langfristig mit einer dynamischen Entwicklung der Regulatorik leben und arbeiten müssen. Das ist vor allem für das E im Kontext des EU-Green-Deals sowie der EU-Taxonomie mit ihren Schutzzielen definitiv ablesbar. Das Ziel ist eindeutig: klimaneutral und kreislauffähig, dabei keine Schäden an der Umwelt verursachend und die Klimarisiken mit berücksichtigend.

„Die Frage, ob wir ein BIM-Modell brauchen, stellt sich gar nicht mehr.“

Sebastian Theißen, Geschäftsführer von LIST Eco.

Konkrete Zielwerte und damit verbindliche Messgrößen werden aber auf absehbare Zeit oft noch vage oder variabel sein. Hinzu kommt, dass zusätzliches Know-how gefragt ist. Sowohl in Sachen Nachhaltigkeits-Expertise als auch für die Implementierung neuer digitaler Lösungen. Und vor genau diesem Hintergrund kristallisiert sich heraus, dass wir so schnell wie möglich unsere Prozesse einmal auf links drehen und das Feintuning an den Anfang der Wertschöpfungskette stellen müssen. Klar ist: Wer das Thema Nachhaltigkeit in den frühen Planungsphasen nicht konsequent und integral angeht beziehungsweise einfordert, wird Lehrgeld bezahlen.

„Es dürfen kaum Parameter festgelegt sein, wenn ein echter Nachhaltigkeitspilot entstehen soll.“

Jannick Höper, Geschäftsführer von LIST Eco.

Puuuuh. Und jetzt? Jetzt haben wir die Chance, uns und unsere Branche ganz neu zu gestalten. Überall entstehen neue Experten-Teams, die ihren eigenen Weg im Design nachhaltiger Lösungen gehen. Dazu zählt auch unsere neu gegründete Gesellschaft LIST Eco. Der Fokus des Teams liegt derzeit klar auf dem E von ESG und der Konzeption und Beratung von klimafreundlichen und -kompatiblen Immobilien sowie Quartieren. Dafür sind laut der Geschäftsführer Sebastian Theißen und Jannick Höper vor allem die ersten drei Leistungsphasen relevant. Deshalb geben sie uns einen Einblick in ihre vier goldenen Regeln für die frühe Planungsphase bis zum fertigen Entwurf von Neubau-Projekten.

1. Iterativ, agil, digital – aber erst einmal ohne BIM.

LIST Eco startet mit einer klaren Forderung in Verhandlungen für neue Projekte. „Es dürfen nur die ganz groben Parameter in trockenen Tüchern sein, wenn wir das Konzept für einen echten Nachhaltigkeitspiloten erarbeiten sollen“, erklärt Jannick Höper, Geschäftsführer von LIST Eco.

„Das können dann zum Beispiel die Nutzung, der Flächenbedarf, die Art des Gebäudes und das Grundstück sein. Alles Weitere gehört schon in unseren ersten Arbeitsschritt: die Variantenentwicklung.“ Dahinter steckt folgender Ansatz: Die Zahl der Möglichkeiten ist enorm groß und diese stehen miteinander in starker Wechselwirkung. „Die Welt ist nun einmal sehr komplex, die beste Option für die Immobilie kann man nicht mehr einfach aus dem Ärmel schütteln. Deshalb müssen wir uns schrittweise in wiederholten Analysen der besten Lösung annähern“, ergänzt der Geschäftsführer.

Die BIM-Methode kommt zu diesem Zeitpunkt noch nicht zum Einsatz – das mag verwundern, hat aber einen guten Grund, wie Sebastian Theißen, ebenfalls Geschäftsführer von LIST Eco, weiß: „Wir starten mit Potenzialanalysen wie beispielsweise der Klimarisikoanalyse, um herauszufinden, was auf dem Grundstück möglich ist. Da bewegen wir uns in Konzeptphasen und eher auf der Ebene von Geoinformationssystemen statt Building Information Modeling (BIM). Das heißt, wir betrachten erst einmal auf gröberer Ebene den Standort und die Umgebung, zum Beispiel ein innerstädtisches Umfeld und die Bebauung. Das bildet ein BIM-Modell gar nicht ab.“ Digital ist dieser Prozess trotzdem.

Es gibt bereits erste gute Tools am Markt, mit denen LIST Eco Berechnungen und Simulationen durchführt. Auch hier gibt es ein digitales Abbild, dieses zeigt aber erst einmal nur die Schnittstellen zwischen Umgebung und möglichen Gebäudeentwürfen auf. „Wir prüfen, wie wir die Gebäudeentwürfe so gestalten, dass zum Beispiel möglichst wenig Hitzeinseln entstehen“, erläutert er eines der Anwendungsbeispiele. „Außerdem bringen wir die Ergebnisse der Potenzialanalysen mit weiteren Themen in Verbindung.

Dazu ein Beispiel: Ergibt die Klimarisikoanalyse, dass das Gebäude auf mehr Hitzetage vorbereitet werden muss, würden wir eine Gebäudebegrünung für lokale Kühleffekte als eine Variante durchspielen. Das hätte dann den Effekt, dass die TGA kleiner dimensioniert werden könnte. Das wiederum hat Einfluss auf die Ökobilanz, die Lebenszykluskosten, die Zirkularität, die Schadstoffe und die Biodiversität. Und da hätten wir dann eine erste Variante entwickelt, die wir in den Vergleich zu anderen Varianten stellen“, schließt Jannick Höper das Thema ab. „So nähern wir uns immer mehr an die Variante an, die wir nachweislich und faktenbasiert als die sinnvollste ermittelt haben.“

2. Die Datenpunkte gehören auf den Thron.

Sind die Varianten für alle Bauteile definiert, modelliert LIST Eco in Zusammenarbeit mit weiteren Gesellschaften unserer Unternehmensgruppe die Immobilie. Ab diesem Zeitpunkt wird im BIM-Modell gearbeitet.

„Die Frage, ob wir ein BIM-Modell brauchen, stellt sich gar nicht mehr. Das ist selbstverständlich. Stattdessen beschäftigen wir uns sehr intensiv damit, wie die Datenpunkte im Modell integriert sein müssen“, erklärt Sebastian Theißen.

„Die Frage ist ja, welche Daten wir für die Nachhaltigkeits-Analyse zusätzlich brauchen. Das haben wir für uns definiert und entwickeln dazu gerade einen Standard für die Branche mit. Die DIN SPEC 91475. Auch hierzu gerne ein Beispiel: Wollen wir die TGA im Rahmen einer Ökobilanz umfangreich bilanzieren, brauchen wir die Mengenangaben für Rohre nicht als Längenmaß, sondern als Gewicht. Und so gibt es ganz viele kleine Stellschrauben, die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden können.“

3. Ja, der Teufel steckt im Detail

In der Immobilienentwicklung galt für die ersten Leistungsphasen lange, dass die Planungen nur Pi mal Daumen gemacht werden. „Ganz wichtig für unsere Herangehensweise ist, dass wir mit unserer Variantenentwicklung die Konzeption einer EU-Taxonomie-konformen Immobilie noch nicht abgeschlossen haben“, holt Sebastian Theißen aus.

„Das müssen wir oft erklären. Denn die Variantenentwicklung gab es auch früher schon – nur eben häufig ohne den iterativen Prozess im Hintergrund. Man könnte sagen, dass einfach Variantenentscheidungen getroffen wurden. Neu ist jetzt aber, dass wir eine Detaillierung mit enormem Tiefgang anschließen.“

Dabei wird die geplante Gebäudevariante ebenfalls Schritt für Schritt immer weiter perfektioniert. Das Team führt die Energiebedarfsrechnung, die Ökobilanzierung, die materialökologische Prüfung, die Lebenszyklusberechnung und die Zirkularitätsbewertung parallel durch.

Dabei stehen auch hier vor allem die Wechselwirkungen auf dem Prüfstand, betont Jannick Höper: „Die sinnvollsten Ausführungsdetails, die bislang häufig erst auf der Baustelle festgelegt werden, sind mit Variantenvergleichen eindeutig definierbar. Es entstehen aber natürlich auch jede Menge Zielkonflikte. Die beste Lösung in puncto Ökobilanz ist nicht automatisch in Sachen Zirkularität der Spitzenreiter. Hier den effizientesten Kompromiss zu finden, ist die Veredelung, von der wir dabei sprechen.“

Damit macht das Team von LIST Eco das, was vielen Marktteilnehmer:innen Kopfzerbrechen bereitet. Denn eines ist klar: Diese scheinbare Sisyphusarbeit ist sehr anstrengend. Aber auch hier birgt die Digitalisierung ein enormes Potenzial. „Das Datenaustauschformat IFC macht es möglich, dass wir die geometrischen Objekte in einem BIM-Modell mit semantischen Informationen verknüpfen können. Das haben wir uns zunutze gemacht und eine BIM-Analyse-Software entwickelt, die verschiedene Fachmodelle als IFC-Dateien verbinden kann. Darauf basierend lassen wir unsere Bewertungen anhand der Modelle ablaufen“, zeigt sich Jannick Höper stolz.

„Das war selbstverständlich mit großem Aufwand verbunden und wir werden die Software auch stetig weiterentwickeln müssen. Aber irgendeine Form der Automatisierung sollte für jede:n das Ziel sein. Auf Dauer kann man diesen Prozess einfach nicht händisch bewerkstelligen. Ganz abgesehen davon, dass der Zeitaufwand auch jedes Projekt-Budget sprengt.“

4. Sicher ist sicher: Pre-Check muss sein.

Bei der Konzeption nachhaltiger Immobilien geht es nicht nur um den schonenden Umgang mit Ressourcen, sondern mehr und mehr auch um die Erfüllung regulativer Vorgaben. Kurz zusammengefasst heißt das: Nachhaltigkeit kostet, keine Nachhaltigkeit kostet mehr.

Nachhaltigkeitszertifikate dienen dabei der Transparenz und der Vergleichbarkeit. Hier lässt sich mit einem um alle Details angereicherten Gebäudemodell prüfen, ob und inwiefern sich ein Gebäude für ein DGNB-, BNB-, QNG-, LEED- oder BREEAM-Zertifikat eignet. Ähnliches gilt für die EU-Taxonomie oder CRREM-Pfade. Hier können wir mit einem Pre-Check die Konformität sicherstellen beziehungsweise Abweichungen aufdecken.

„Wir denken die Nachhaltigkeit von Beginn an ganzheitlich mit, da sind die Pre-Checks nur noch eine Formsache. Als Absicherung empfehlen wir sie aber dennoch“, so Sebastian Theißen. „Und steht eine Investitionsentscheidung an, sind die Pre-Checks dafür die richtige Grundlage. Zusammen mit weiteren ESG-relevanten Daten können wir damit nachweisen, dass die entwickelte Immobilie Artikel-9-fähig ist oder spezifische unternehmerische Reporting-Anforderungen einhält – noch bevor es überhaupt in die Genehmigungsplanung geht.“

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Quelle: patchii – stock.adobe.com

Zu den Personen:

Sebastian Theißen, Geschäftsführer von LIST Eco.

Jannick Höper,  Geschäftsführer von LIST Eco.