Quelle: a|w|sobott, André Sobott

Was gemischt genutzte Immobilien erfolgreich macht – drei Faustregeln.

Handel, Büro und Hotel unter einem Dach? Was vor einigen Jahren die Ausnahme war, etabliert sich mehr und mehr. Michael Garstka, Geschäftsführer von LIST Develop Commercial, geht sogar noch einen Schritt weiter.


Dieser Artikel erschien zuerst als Gastbeitrag im German Council Magazin des German Council of Shopping Centers e. V., Ausgabe 04/2018. Sie können alle Ausgaben des Magazins hier nachlesen.


Die städtebauliche Einbindung und die Nutzungskonzepte der Mieter haben für uns einen sehr hohen Stellenwert. Dennoch darf man sich genau darin meiner Meinung nach nicht verlieren.

„Funktion folgt Form“ ist kein Tabu

Jede Immobilie sollte einen individuellen Charakter erhalten. Das schaffen wir nicht, indem wir die Funktion und die städtebauliche Umgebung als alleinigen Maßstab nehmen. Es ist zwar korrekt, wenn es grundsätzlich heißt: „form follows function“. Aber Ausnahmen bestätigen die Regel, oder wie sagt man so schön? Wir berücksichtigen zwar den Zweck und die Einbindung unserer Objekte, aber wir nehmen uns mit unseren Architekten auch immer Zeit und Raum für Kreativität.

Manchmal reicht es schon, mit einem Bleistift auf einem schon beschriebenen Papier zu scribbeln. Viele der Ideen, die dabei entstehen, werden niemals umgesetzt und sind vielleicht auch nicht die besten. Daraus mache ich gar kein Geheimnis. Aber es wachsen auch Ideen, die für ebendiese individuelle Note sorgen, die meiner Meinung nach so wichtig für eine Immobilie ist. Möglichst hohe Aufenthaltsqualität zu schaffen; ist eine der wichtigsten Aufgaben bei der Entwicklung gemischtgenutzter Gebäude. Wenn sich die Besucher in der Immobilie wohlfühlen und dort gerne Zeitverbringen, profitieren davon sowohl die unmittelbare Umgebung als auch die einzelnen Mieteinheiten. So schaffen wir die richtigen Rahmenbedingungen.

Klare Verhältnisse sind das A und O

Wie startet man am besten ein Vermietungsgespräch? Vielleicht so: "Eine tolle Immobilie in bester Lage, und Sie können sich Ihre Wunschfläche aussuchen" – Wie gerne würde ich bei jedem Gespräch mit potenziellen Mietern so einsteigen. Das würde aber falsche Erwartungen wecken und schlimmstenfalls im Chaos enden.

Schauen wir uns das an einem Beispiel an: An der Vahrenwalder Straße in Hannover haben wir ein Büro- und Geschäftshaus entwickelt, das zurzeit von unserer Schwestergesellschaft LIST Bau Nordhorn schlüsselfertig errichtet wird. Im Erdgeschoss werden dm und REWE jeweils eine Filiale eröffnen. Design offices (Anbieter für Serviced Office) bezieht insgesamt 6.700 qm, die sich vom Erdgeschoss bis in das zweite Obergeschoss erstrecken. Für das dritte und vierte Obergeschoss konnten wir B&B HOTELS als Mieter gewinnen. Damit haben wir vier Mieter verteilt auf fünf Geschosse.

Allen Mietern eine Standardfläche gemäß Musterbaubeschreibung im Erdgeschoss zu ermöglichen, wäre unserer Meinung nach nicht die beste Lösung für das Objekt gewesen. Die Handelsflächen hätten reduziert werden müssen und B&B hätte keinen wirklichen Zugewinn gehabt. Eine großzügige Lobby, wie sie nun im vierten Stockwerk entstehen wird, wäre im Erdgeschoss in keinem Fall realisierbar gewesen.

Deshalb habe ich das Gespräch mit Max C. Luscher, dem Geschäftsführer der B&B Hotels GmbH, anders als eingangs erwähnt, eröffnet: „Herr Luscher, ich habe eine tolle Fläche für Sie – zwar komplett im vierten und fünften Obergeschoss, aber dafür mit einem Einzelhandelsangebot im Erdgeschoss für Ihre Kunden, und mit möglichen Synergieeffekten durch die Coworking-Spaces in den unteren Geschossen.“ Damit waren die Grenzen direkt von Beginn an klar abgesteckt. In einer konstruktiven Diskussion – immer im Rahmen des Machbaren – haben wir uns dann dem Mietvertrag angenähert.

Standards sind nicht das Maß aller Dinge

Jeder Mieter hat sein eigenes Nutzungskonzept, in dem – mehr oder weniger detailliert – steht, was die Flächen ganz konkret erfüllen müssen. Das ist sinnvoll, denn jedes Geschäft und jedes Business hat seine ganz individuellen Ansprüche. Trotzdem nehmen wir nicht immer einfach alles so hin, wie es zu Papier gebracht ist. Klingt erst einmal unverschämt, ist aber überhaupt nicht so gemeint. Die allgemeingültigen Konzepte der Mieter sind ausschließlich auf die eigenen Flächen ausgelegt und berücksichtigen ihr Umfeld nicht – das ist auch gar nicht anders machbar und deshalb natürlich in Ordnung. Finden in einer Immobilie aber mehrere Nutzungen gleichzeitig statt, entstehen Schnittstellen, die sowohl einen positiven als auch einen negativen Einfluss auf das Konzept nehmen können.

Ganz praktisch gesehen heißt das, dass beispielsweise der Anlieferungsbereich von REWE in Hannover nicht so wie im Konzept festgelegt umgesetzt werden kann, weil das die hundertprozentige Bebauung des Grundstücks nicht hergibt. Dafür haben wir eine gleichwertige Alternative erarbeitet. Kein Problem, weil alle Beteiligten offen an die Sache herangegangen sind. Darüber hinaus darf REWE sich über den netten Nebeneffekt freuen, dass die zentrale Heizungsanlage für alle Mieter preislich deutlich attraktiver als die im Konzept festgehaltene eigene Lösung ist. Eine Synergie, die das Potenzial hybrider Immobilienkonzepte aufzeigt.

Und darüber hinaus?

Wenn ich mich jetzt noch weiter zurückbesinne und die Entwicklung einer Immobilie an sich – ganz losgelöst von ihrem Nutzungskonzept – betrachte, gibt es da noch einen vierten und für mich alles entscheidenden Punkt: Wir brennen für das, was wir machen. Auch nach 20 Jahren hat mein Beruf noch kein bisschen Reiz für mich verloren. Wir machen immer das Beste aus den uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und können stolz auf uns sein. Und das ist für mich persönlich ein sehr wichtiger Faktor.