Quelle: TeleClinic

Die Pionierin der Telemedizin.

Katharina Jünger ist Gründerin und Geschäftsführerin von TeleClinic. Mit 24 Jahren gründete sie das erste Unternehmen in Deutschland, das einen Arztbesuch per Video-Call vermittelt. Kein einfaches Projekt, denn lange Zeit galt: Ein Arzt muss seinem Patienten von Angesicht zu Angesicht gegenübersitzen, um Diagnosen zu stellen und ihn behandeln zu können.

Jünger ließ sich von der lange gültigen Regel allerdings nicht entmutigen und setzte trotz aller Widerstände auf den digitalen Wandel im Gesundheitssystem. Mit Erfolg. Seit Mai 2020 zahlen auch alle gesetzlichen Krankenkassen die ärztliche Online-Behandlung. Durch die Corona-Pandemie hat TeleClinic einen kräftigen Aufschwung erlebt. Über 40.000 Patienten nutzten bisher die Plattform. 

Aufschwung für die Telemedizin.

Alle Menschen sollten die Möglichkeit haben, sich einfach und unkompliziert von einem Arzt beraten zu lassen. Und zwar jederzeit und kostenlos. Das war das Ziel von Katharina Jünger, als sie 2015 ihr Start-up TeleClinic in München gründete. Die Idee dahinter: Eine digitale Plattform, die Ärzte und Patienten miteinander in Kontakt bringt. Wer krank ist oder medizinische Fragen hat, kann sich rund um die Uhr online von Ärzten beraten und behandeln lassen. 

Jünger war davon überzeugt, dass die Telemedizin auch in Deutschland einen Boom erleben würde. Schließlich ist die Gesundheitsbranche ein lukrativer Markt, auf dem digitale Technologien zunehmend an Bedeutung gewinnen. Doch die heute 29-Jährige hatte sich keinen einfachen Bereich ausgesucht. Der Gesundheitsmarkt in Deutschland ist hochreguliert.

Zudem muss man bei allen neuen Projekten nicht nur die Patienten und Ärzte überzeugen, sondern auch die Krankenkassen. Und lange Zeit galt in Deutschland: Wer krank ist, geht in eine Praxis, Klinik oder lässt sich vom Arzt zu Hause untersuchen. Von Angesicht zu Angesicht. Während Internetplattformen zur Vermittlung von Taxifahrten und Wohnungen längst völlig selbstverständlich waren, galt der digitale Arztbesuch bis vor kurzem nicht als seriöse Option. Jünger und ihre zwei Gründungspartner bewegten sich 2015 sogar in einem rechtlichen Graubereich, als sie TeleClinic gründeten. Dass Ärzte Patienten aus der Ferne beraten, ohne sie jemals getroffen zu haben, war nicht erlaubt. Doch Jünger ließ sich davon nicht entmutigen. „Wir dachten, wenn wir zeigen, dass die Angebote Vorteile bringen, dann werden sich auch die Gesetze ändern“, sagt Jünger, die nach ihrem Jurastudium noch am Center for Digital Technology and Management in München studiert hat. Und sich währenddessen auch damit beschäftigt hat, wie gut Telemedizin weltweit in einigen Ländern bereits angenommen wird.

Gerade anfangs war es in Deutschland jedoch nicht leicht, alle Beteiligten von den Vorteilen der digitalen Angebote zu überzeugen. Besonders unter den Medizinern gab es große Vorbehalte. „Wir haben uns sehr viel Mühe gegeben, den Ärzten zu erklären, dass es nicht darum geht, sie zu ersetzen. Im Gegenteil. Ohne sie würde das ganze Konzept ja gar nicht funktionieren“, erinnert sich Jünger. Sie und ihre Mitstreiter bezweifeln nicht, dass es Krankheiten gibt, die weiterhin Behandlungen und Untersuchungen bedürfen, bei denen Patient und Arzt sich live begegnen. Telemedizin soll den Arztbesuch in der Praxis oder Klinik nicht grundsätzlich ersetzen. Es geht um eine Kombination von beidem. In den ersten Jahren nach der Gründung durften Ärzte die Patienten online über TeleClinic nur allgemein beraten, aber keine echten Diagnosen erstellen und auch keine Rezepte ausstellen. Bis im Mai 2018 tatsächlich das Gesetz gelockert wurde. Seitdem können Mediziner via Internet Patienten behandeln, die sie noch nie getroffen haben. Bis vor kurzem musste ein Patient bei TeleClinic allerdings knapp 40 Euro für eine Beratung zahlen. Ein geringer Prozentsatz davon fließe an ihr Unternehmen, so Jünger. Wie viel, darüber will sie keine Angaben machen. Zudem erhalte ihr Unternehmen von den Krankenkassen einen Beitrag für jeden behandelten Patienten.

Auswirkungen der Corona-Pandemie.

Seit Mai 2020 zahlen nun nicht nur die privaten, sondern auch alle gesetzlichen Krankenkassen das digitale Angebot. Und die Ärzte können Rezepte und Krankschreibungen ausstellen, die der Patient dann per App erhält. Bei verschreibungspflichtigen Produkten enthält das Rezept eine digitale Unterschrift. Maximal sieben Tage am Stück können Ärzte einen Patienten bei einer telemedizinischen Behandlung krankschreiben.

Inzwischen arbeiten über 250 Ärzte in dem TeleClinic-Netzwerk mit. Sie müssen eine Facharztausbildung abgeschlossen sowie eine deutsche Zulassung haben. Bei TeleClinic sind sie nicht fest angestellt, sondern arbeiten auf Stundenbasis. Der Großteil ihrer Arbeit soll auch weiterhin als niedergelassener Arzt vor Ort in der Praxis stattfinden. Wer als Patient das Angebot nutzen möchte, füllt einen kurzen Fragebogen zu seinen Symptomen aus und gibt an, wann er vom Arzt kontaktiert werden möchte. Dann meldet sich ein Facharzt über die App. Alle Fachrichtungen sind vertreten. Die meisten Anfragen richten sich an Allgemeinmediziner, Kinderärzte, Dermatologen, Urologen und Gynäkologen. Die Mediziner können bundesweit spontan und flexibel Termine für die Online-Beratung oder Behandlung annehmen. So können sie Zeitfenster nutzen, wenn beispielsweise ein bestellter Patient in ihrer Praxis zu spät kommt oder einen Termin absagt.

Die Corona-Pandemie hat der Telemedizin einen zusätzlichen Aufschwung beschert. Die Behandlung über das Internet vermeidet jeden Kontakt und verringert so das Risiko, sich im Wartezimmer anzustecken. Wer Symptome von Covid-19 zeigt, durfte sich schon vor der Neuregelung im Mai kostenlos behandeln lassen. Inzwischen hat Jünger 60 Mitarbeiter eingestellt und etwa 40.000 Patienten haben das Angebot genutzt. Die Pionierin der Telemedizin lag richtig, als sie vor fünf Jahren ihr Start-up gründete: Patienten, Ärzte und Krankenkassen in Deutschland setzen verstärkt auf die medizinischen Online-Angebote.