Quelle: MELISSA BUNGARTZ FOTOGRAFIE ERLEBEN

Geräuschkulisse auf der Baustelle – zu Besuch beim „Paseo Carré“.

Arno Berger ist Baustellenleiter bei LIST Bau München und verantwortet aktuell zusammen mit seinem Team den Bau des „Paseo Carrés“ in München-Pasing.

Im Auftrag des Bauprojektentwicklers M-CONCEPT Real Estate entsteht ein Quartier, das Wohnen und Arbeiten verbinden wird. Wir haben ihn auf der Baustelle im Westen Münchens begleitet und dabei ganz genau hingehört. Denn wir wollten wissen: Wie klingt eine Baustelle eigentlich, was macht welche Geräusche und ist es auch mal still?

Wenn Arno Berger morgens um 06:00 Uhr in seinem Büro auf seiner Baustelle in den Tag startet, ist das lauteste Geräusch das Mahlwerk des Kaffeevollautomaten in dem Containerbüro, das er sich mit seinen Kolleg:innen teilt. Nicht unbedingt leise, aber im Vergleich zu dem, was noch im Laufe seines Tages folgen wird, keine wirklich große Nummer. 

Während das Baustellen-Team im Innern der Container frühmorgens noch am PC in ruhiger Atmosphäre den Tag vorbereitet, wird es draußen nach und nach lauter. Immer mehr Autos, Kleinbusse und Lieferwagen kommen angefahren. Immer mehr Arbeiter:innen verteilen sich auf der Baustelle und machen sich ans Werk. Und das hört man. Nach und nach steigt der Geräuschpegel. Der Höhepunkt ist in der Regel bereits zwischen 07:00 und 08:00 Uhr erreicht. Denn dann, so Arno Berger, sind so gut wie alle auf der Baustelle mit ihrer eigentlichen Tätigkeit beschäftigt. Und genau dann trägt fast jede:r auf die eigene Weise zum unorchestrierten Zusammenspiel der Geräusche bei.

Richtig was los.

Auffällig dabei ist, dass die verschiedenen Bauabschnitte – je nach Fortschritt – alle einen anderen Klang haben. Während im Rohbau noch schwere Geräte mit tiefen Tönen dominieren, sind in den fortgeschritteneren Abschnitten hauptsächlich Geräusche von Akkuschraubern, kleinen Sägen oder Schraubern zu hören. Dazu mischen sich aber auch immer wieder Laute von Stemmhämmern, Trennschleifern und Kappsägen. Hier braucht es keine weiteren Sinnesorgane als das Ohr, um zu verstehen: Hier geht es gerade richtig rund. 

Im Innenhof des Komplexes tummeln sich ebenfalls einige Geräte, die maßgeblichen Einfluss auf die Geräuschkulisse haben. Größentechnisch fallen hier vor allem Lkw, Teleskoplader, Bagger und natürlich der große Baukran auf. Der ist allerdings fast lautlos. Während er elegant seine Kreise zieht, geht von ihm nur ein leises Summen aus. Und auch die anderen, größeren Maschinen sind akustisch nicht dominant. Auch, da viele dieser Geräte im Laufe der Jahre insbesondere in puncto Schallemission enorm weiterentwickelt wurden. „Nicht zuletzt, weil es sich bei vielen Baustellen um Lückenbebauungen beziehungsweise um bauliche Nachverdichtung handelt, müssen die Maschinen heute deutlich strengere Standards einhalten als in der Vergangenheit“, so Arno Berger. Doch reduzieren lässt sich der Geräuschpegel offensichtlich nicht bei allen Arbeiten. Denn aus dem „Grundrauschen“ der Baustelle stechen immer wieder einzelne Klänge hervor, die durch ihre hohe Frequenz auffallen.

Volles Klangspektrum.

„Mit das Unangenehmste, was eine Baustelle in puncto Klang zu bieten hat, sind wohl die Tischkreissäge und die Steinsäge“, meint Arno Berger, der dann auch selbst das „Singen der Kreissäge“ beim Trennen eines Schalungsbrettes vorführt – freilich mit Gehörschutz. Durch die enorme Umdrehungszahl der Sägeblätter entsteht insbesondere an der Steinsäge ein Geräusch, das man niemandem ohne die sogenannten Mickymäuse länger zumuten möchte. Spätestens jetzt wird klar, was Arno Berger meint, wenn er sagt: „Die tiefen und dumpfen Töne sind meine Favoriten, penetrant sind die Geräusche mit hoher Frequenz.“ Wobei er einschränkt, dass auch der Beton- beziehungsweise Innenrüttler zum Verdichten des Betons in der Schalung mit seinem tiefen Brummen da etwas aus der Reihe fällt. In den Genuss kommen wir heute allerdings nicht.

Beim Gang über die Baustelle fällt immer wieder ein stetiges Hämmern auf. Ein Hämmern zum Richten der Füße des Gerüsts für die Schalung, wie Arno Berger erläutert. Es ist ein Geräusch, das auch beim Anziehen der Gewindeschrauben am Gerüst durch Hammerschläge entsteht – durch das Schlagen von Metall auf Metall. Ziemlich charakteristisch für eine Baustelle, wie auch wir bestätigen können. Gepaart mit den Geräuschen aus den unterschiedlichen Etagen verschiedenster Gewerke entsteht eine Gesamtkomposition, die es so wohl nur auf der Baustelle gibt. Und auch die Radios, die auf den unterschiedlichen Ebenen zahlreich vertreten sind, sorgen dabei mit für ein beträchtliches Grundrauschen. Denn diese sind nicht selten so eingestellt, dass man die Musik selbst dann noch hören kann, wenn in unmittelbarer Nähe etwas lauter gearbeitet wird. Umso mehr dröhnt die Musik verschiedenster Sender, wenn es drum herum mal weniger laut ist.

Mit der Höhe kommt die Ruhe.

Ruhiger geht es auf der Baustelle des „Paseo Carrés“ aktuell nur in der Höhe zu. Als wir auf der obersten Ebene des Gerüsts am 26 Meter hohen Gebäude stehen, sind die Baustellengeräusche deutlich leiser wahrzunehmen. Den geringeren Lautstärkepegel nutzt Arno Berger direkt, um sich kurz per Telefon mit einem Kollegen abzu-sprechen. Denn stille Orte wie diesen muss man zu nutzen wissen. 

Für uns ist es insgesamt ein ziemlich hörgewaltiger Rundgang! Für Arno Berger Alltag. „Aber mit der Zeit entwickelt man eine gewisse ‚Baustellentaubheit‘“, berichtet der Bayer. „Man blendet gewisse Geräusche aus und nimmt sie gar nicht mehr wahr.“ Außerdem ist er überzeugt, dass erst diese Geräusche die Baustelle zu einer richtigen Baustelle machen. Das Piepen beim Rückwärtsrangieren von Ladern, das Hupen der Lkw, das Scheppern von Metall, das Hämmern an Bauelementen, das Stemmen in Decken, das Dröhnen der Estrichpumpe, das unterschiedlichste Brummen verschiedener Geräte oder das Dudeln der Radios – das alles und noch viel mehr zeichne die Baustellen-Sinfonie aus.

Ob es auch wirklich ruhige Phasen und Momente auf der Baustelle gibt, wollen wir wissen. Der Unterschleißheimer muss lange überlegen. „Wenn, dann im Büro! Auf der Baustelle ist tagsüber immer was los. Selbst in der Mittagszeit.“ Auch deshalb legt er Wert auf ruhigere Momente am Abend und am Wochenende. „Ich bin viel in der Natur. Beim Wandern in den Bergen und am See kann ich gut abschalten“, so Berger. Auf die Frage, ob die Geräusche etwas Positives für ihn sind, kommt spontan die Antwort: „Natürlich! Dann weiß ich, dass gearbeitet wird.“ So gesehen, würde Stille den Baustellenleiter vermutlich am meisten stressen.