Quelle: a|w|sobott, André Sobott

Zwischen Kanälen und Fleeten – Der Logistik-Neubau in Veddel.

Wenn Mike Otte im Kampe morgens an seiner Baustelle im Hamburger Stadtteil Veddel ankommt, hat er auf seinem Arbeitsweg schon viel Wasser und unzählige LKW gesehen. Denn hier im Südosten der Hansestadt gibt es nicht nur zahlreiche Wasserwege, sondern auch ein gut ausgebautes Straßennetz, über das Waren aus dem Hafen per LKW ins ganze Land geschafft werden. Ein idealer Standort für Logistiker also. Und genau hier entsteht auf einer Fleetinsel zurzeit eine neue Logistikimmobilie. Ein Projekt, das Projektleiter Mike Otte im Kampe als Wahlhamburger von Anfang an gereizt hat.

„Eine Baustelle hier an den Fleeten ist schon etwas Besonderes“, so der Projektleiter. „Nicht nur wegen des maritimen Charmes, den so ein Ort mit sich bringt. Auch wegen den Herausforderungen direkt am und mit dem Wasser.“ Eigentlich haben die Fleete, also die künstlich angelegten Wasserläufe, neben ihrer Funktion als Entwässerungsgraben auch eine logistische Funktion. „Aber für den Schiffsverkehr spielt das Fleet hier am Grundstück mittlerweile keine Rolle mehr“, erklärt Mike Otte im Kampe. Hier geht alles über die Straße – auch für die Baustelle. Bauherrin Kirsten Grell weiß um den Charme der Lage am Wasser. „Der Stadtteil, die Fleete, der Wind und die unmittelbare Nähe zum Hafen und zur Stadt – das ist schon etwas Außergewöhnliches“, so die Hamburgerin, deren Familie die Immobilie einst selbst für die Logistik nutzte. Mit dem Neubau möchte die Bauherrin dafür sorgen, dass das Gebäude auch in Zukunft den Anforderungen an eine moderne Hafenlogistik gewachsen ist.

Neubau in zwei Abschnitten.

Auch, wenn das Wasser im Stadtteil Veddel allgegenwärtig ist, hält es hier auf der Baustelle eher unsichtbar Herausforderungen bereit. Ein Beispiel dafür ist der nasse Untergrund. Der ist nämlich der Hauptgrund dafür, dass die Logistikimmobilie überhaupt neu gebaut wird. Offensichtlich werden die Auswirkungen des feuchten Bodens am besten an den Rissen in den Wänden und an der welligen Bodenplatte des Bestandsbaus. „Bis zu zehn Zentimeter ist der Boden der alten Hallen an manchen Punkten abgesackt. Damit sich das trotz des Untergrunds bei den neuen Hallen nicht wiederholt, haben wir eine stabile Sondergründung konstruiert, die Setzungen auf ein Minimum reduzieren soll“, berichtet der Projektleiter und zeigt auf die unebene Kante und die Risse an einer ehemaligen Innenwand der Immobilie, die übergangsweise die Außenfassade darstellt. Diese wird erst im kommenden Jahr dem Neubau weichen. Denn der Bau wird in zwei Abschnitten vollzogen. Das ermöglicht dem aktuellen Mieter, einem Logistikunternehmen, den Weiterbetrieb, sorgt aber für jede Menge Herausforderungen bei der Planung und in der Umsetzung des neuen Gebäudes. „Im Dezember muss der erste Bauabschnitt abgeschlossen sein. Dann kann der Mieter in die neuen Räumlichkeiten umziehen und wir können mit Abschnitt zwei starten“, erläutert der Hamburger das Vorgehen. Ab 2024 sollen dann bis zu vier Mieter in dem neuen Gebäude Platz finden.

Sondergründung mit unsichtbaren Hindernissen.

Doch bis die Mieter die neuen Räumlichkeiten beziehen können, haben Mike Otte im Kampe und sein Team noch einige Hürden zu nehmen. Knapp 3.000 Säulen, die bis zu 14 Meter in die Erde reichen, müssen für die Sondergründung aufgrund des „moorigen“ Bodens in die Erde gebohrt werden. Das ist auch deshalb eine anspruchsvolle Aufgabe, weil von dem alten Fundament noch circa 200 Pfähle im Erdreich schlummern, die man nur mit großem Aufwand herausbekommen würde. Das heißt, die neuen Pfähle werden so gesetzt, dass sie mit den alten nicht in Berührung kommen. Hinzu kommt im Randbereich des Grundstücks, Richtung Fleet, die Rückverankerung der Uferbefestigung. Die entsprechenden Betonelemente ragen diagonal ins Erdreich und sorgen dafür, dass die ursprünglichen Pläne für das Fundament immer wieder angepasst werden und bestimmte Bohrpunkte verschoben werden müssen.

Als wäre das nicht schon anspruchsvoll genug, verstecken sich im Erdreich noch zahlreiche Reliquien aus vergangen Zeiten – mehr als bei manch anderen Brownfield-Projekten. So fand das Team neben Schmelztiegeln, Gleisen und alten Rohren unter anderem einen großen Wassertank. Alles Gegenstände, die auf keiner Karte eingetragen oder in irgendeiner Weise dokumentiert sind. Was auf den ersten Blick wie eine interessante Reise in die vergangene Zeit anmutet, könnte aber zu einem echten Problem werden. Nämlich dann, wenn der Bohrer für die Sondergründung auf sie trifft und das Bohrgestänge beschädigt. Um entsprechende Schäden und daraus folgende Verzögerungen zu vermeiden, muss der Grund genauestens inspiziert und von störenden Gegenständen befreit werden. Kein leichtes Unterfangen bei einer Grundfläche von insgesamt 19.000 Quadratmetern und entsprechendem Aushub.

Kein gewöhnlicher Untergrund.

Eine weitere Problematik, die der nasse Untergrund hier mit sich bringt, ist dagegen komplett unsichtbar: Methangas, das sich aus der feuchten Biomasse unterhalb der Baustelle entwickeln kann. Für die Baustelle selbst ist das kein Problem. Das Gas wird nur dann heikel, wenn es später aus dem Boden in das Gebäude entweicht – insbesondere in enge beziehungsweise selten belüftete Räume. Daher muss das Eindringen unbedingt vermieden werden. Und das geschieht über eine Gasdrainage-Schicht im Bereich der Bodenplatte. Diese verhindert den Eintritt in die Immobilie und leitet mögliches Gas über die Frostschürze in den Außenbereich ab, wo es sich mit der Außenluft vermischt. Dass durch die Bodenplatte und den Untergrund überhaupt etwas durchdringen soll, kann man sich angesichts der unterschiedlichen Schichten fast gar nicht vorstellen. Denn unterhalb der eigentlichen Bodenplatte aus Beton wird in mehreren Etappen eine 70 Zentimeter dicke zementverfestigte Schicht aus dem abgetragenen Material aufgetragen, die als eine Art Gleitschicht zwischen der Sondergründung mit den mehr als 3.000 Pfählen und der Bodenplatte dient. Dazu werden bis zu 500 Kubikmeter Schutt beziehungsweise Schotter, die aus dem Erdreich gewonnen wurden und zurzeit als riesige Haufen an der Grenze des Grundstücks lagern, quasi recycelt. Und weil diese Schicht genaue Anforderungen bezüglich Statik und Festigkeit erfüllen muss, ist der Vorgang sehr wetter- beziehungsweise regensensibel. Aus diesem Grund wird diese Schicht samt Bodenplatte erst aufgetragen beziehungsweise gegossen, wenn das Dach und die Außenfassade des Gebäudes stehen. „So können wir sichergehen, dass der Prozess nicht gestört wird und der Beton richtig aushärtet. Wenn man bedenkt, dass hier später Stapler mit einem Gewicht von mehreren Tonnen umherfahren, kann man sich vorstellen, dass ein guter Grund Gold wert ist“, betont der Projektleiter.

Mit Regenwasser richtig umgehen.

Regenwasser ist aber nicht nur bei den Betonarbeiten für die neuen Hallen ein Thema. Das Wasser von oben hat auch konkreten Einfluss darauf, was außerhalb des Gebäudes saniert und gebaut werden muss. Da das Wasser hier in das Fleet geleitet wird, sorgt eine Regenwasserreinigungsanlage dafür, dass sich Sedimente absetzen können. So wird verhindert, dass diese in den „Kanal“ gelangen und diesen weiter verschlicken. Diese Anlage ist zwar schon vorhanden, doch weil das Abwasser insbesondere in Kombination mit Streusalz die Konstruktion sowie die alte Kaimauer angreifen kann, wurden die vorhandenen Betonelemente geprüft und prophylaktisch saniert. „Dazu haben wir vorhandene Elemente bestrahlt und beschichtet, damit ihnen das salzige Regenwasser nichts anhaben kann. Sicher ist sicher“, so der Projektleiter.

Gewappnet für den Fall der Fälle.

Während an einigen Stellen zu viel Wasser ein Problem darstellt, kann es im Ernstfall gar nicht genug davon geben. „Mehr als 100 Kubikmeter pro Stunde müssen hier im Brandfall zur Verfügung stehen“, so Otte im Kampe zur Brandschutzauflage in punkto Löschwasser. Und weil das die vorhandenen Leitungen nicht hergeben, muss auf andere Weise Abhilfe geschaffen werden. „Wir können im Falle eines Brands ja nicht so lange warten, bis die Elbe wieder Hochwasser-Niveau hat!“ Zur Debatte stehen ein Löschwasserbrunnen, ein Sprinklertank und eine Zisterne. Welche der Lösungen es am Ende wird, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Sicher ist allerdings, dass aufgrund des Platzmangels und des nassen Untergrunds mit seinen verborgenen Schätzen ein größerer Speicher im Untergrund nur mit höherem Aufwand realisierbar wäre. „Da käme uns wieder das Wasser in die Quere. Denn je tiefer wir kommen, desto mehr in die Grube eindringendes Wasser müssen wir abpumpen“. Das ist vor allem uferseitig ein Problem, so der Projektleiter. „Wenn Hochwasser ist, brauchen wir nicht in die Tiefe gehen. Da kann es schon mal sein, dass die Arbeiten erst am Nachmittag beginnen, weil wir sonst zu viel mit dem Wasser zu kämpfen hätten.“ Man merkt: Das Wasser hier auf der Baustelle im Hamburger Stadtteil Veddel wirkt sich auf jede Phase des Baus aus und muss mit seinen unterschiedlichen Facetten in den unterschiedlichen Planungen des Baus berücksichtigt werden. Doch für Otte im Kampe ist das kein Problem. Ganz im Gegenteil: „Jede Region und jeder Standort hat seine ganz eigenen Herausforderungen. Und hier in Hamburg ist es halt das Wasser mit seinen Auswirkungen. Mir macht das Spaß. Und: Was wäre eine Baustelle ohne Herausforderungen!?“

Quelle: a|w|sobott, André Sobott
Über das Projekt.

Im Stadtteil Hamburg-Veddel errichtet LIST Bau Nordhorn, Standort Hamburg, eine neue Logistikhalle mit vier Units und zwei Bürovorbauten. Der Bau der Hafenlogistikimmobilie findet in zwei Bauabschnitten statt. Im ersten Bauabschnitt bleibt der Bestand erhalten und es wird auf dem noch freien Gelände mit dem Bau begonnen. Im zweiten Bauabschnitt folgt der bauherrenseitige Abriss des Bestands und der Neubau auf diesem Teilgrundstück. Da der tragende Untergrund einige Meter unter der Erde liegt, muss vor dem Hochbau eine Tiefgründung durchgeführt werden.

Projektdetails.

  • 19.000 qm großes Grundstück
  • 2 Bauabschnitte
  • 10.500 qm Hallenfläche
  • 4 Units
  • 2 vorstehende Verwaltungsvorbauten
  • Mezzanine-Flächen über eine Breite von 184/59 m