Holz Bohrer, automatisierte fertigung, BIM
Quelle: Ilshat – stock.adobe.com

Wenn das BIM-Modell kommunizieren kann – ein Gespräch über automatisierte Fertigung und Co.

BIM ist keine Standard-Software, sondern eine komplexe Methode, bei der alle relevanten Daten eines Gebäudes digital modelliert, erfasst, kombiniert und vernetzt werden. Die automatisierte Fertigung, die auf 3D-Modellen beruht, ist in der Baubranche allerdings noch nicht standardisiert ausführungsreif. Warum man derzeit noch nicht ohne Weiteres aus einem BIM-Modell per Knopfdruck Gebäudeteile fräsen oder drucken kann und warum ein digitaler Feinschliff notwendig ist, erklärt Prof. Dr.-Ing. Reinhard Wimmer von der Fakultät für Architektur und Bauwesen der Hochschule Karlsruhe.

Herr Prof. Dr. Wimmer, Sie waren an einem Bauprojekt beteiligt, bei dem die Informationen aus einem BIM-Modell an eine Holzfräse übertragen wurden. Wie funktioniert das?
R. W.: „Es ging um Bauten, die in Holzbauweise errichtet werden sollten. Wir haben vom Architekturbüro die CAD-Pläne erhalten, diese in 3D umgewandelt und mit Informationen angereichert: welche Materialien verwendet werden, mit welcher Oberfläche, in welcher Qualität, welche Faserrichtung und so weiter. Die Informationen haben wir dann mit einer spezialisierten Schnittstelle an das Sägewerk weitergegeben. Diese Schnittstelle haben wir individuell für dieses Projekt erstellt. Im Sägewerk wurden das BIM-Modell dann weiterentwickelt und die Schnittvektoren an die CNC-Fräse geleitet. Die hat das Holz gefräst und so konnte es direkt an die Baustelle weitergegeben werden.“

Ist das noch ein ungewöhnlicher Schritt, dass man BIM-Modelle nutzt, um direkt damit Elemente für die Fertigung von Gebäuden herzustellen?
R. W.: „Es gibt verschiedene Typologien in der BIM-Welt. Mit der Autorensoftware erstellt man das BIM-Modell und erzeugt somit unter anderem die 3D-Körper. Damit haben wir gearbeitet. Dann gibt es bestimmte Tools, BIM-Tools, wie zum Beispiel die SEMA-Software, die speziell im Bereich Holzbau zur Anwendung kommt. SEMA nutzt das bereits bestehende Modell und importiert es. Der Prozess des Imports war aber immer noch sehr schwierig (Stand 2017).“

Warum?
R. W.: „Wenn Sie mit Word in Excel arbeiten oder mit Excel in Word, ist das ein Graus. Und dabei handelt es sich noch um sehr einfache Dateien. Das gleiche Problem habe ich, wenn ich mit der Autoren-software eines Herstellers die Daten in ein anderes Werkzeug übertragen und dann sogar damit arbeiten möchte.“

„Anfangs hat man mit der 3D-plus-Informations-Planung mehr Arbeit, aber das Wunder muss nicht auf der Baustelle geschehen.“

Ideal wäre es also, wenn man jedes BIM-Modell ohne weitere Software und ohne Probleme an jede CNC-Fräse oder jeden 3D-Drucker anschließen könnte?
R. W.: „Das wäre optimal, aber bisher sind spezielle Softwares notwendig. Wenn die Umformung des Datenmodells nicht mehr notwendig wäre, also alle Softwares die gleiche Datenstruktur hätten, wäre das super. Das ist aber aus diversen Gründen nicht realistisch. Ich nenne Ihnen mal ein fiktives Beispiel, um das Problem zu verdeutlichen:

Wie kann man eine Linie darstellen? Ich kann eine Linie mit zwei Punkten darstellen. Die BIM-Software A erstellt so eine Linie. Die Software B versteht eine Linie anders. Software B nimmt einen Punkt, eine Länge und einen Winkel zur Darstellung dieser Linie. Wenn jetzt Software A diese zwei Punkte in die Software B überträgt, weiß die Software B nicht, was sie damit anfangen soll, weil sie eine Linie anders versteht. Das Problem haben wir in der BIM-Welt ständig. Deswegen müssen wir momentan immer noch für nicht standardisierte Schnittstellen Individual-Lösungen programmieren. Das Know-how dazu hat nicht jede:r und der Prozess ist auch sehr zeitaufwendig.“

Ist das die größte Herausforderung, um die Prozesse im Bauwesen nicht nur in der Planung zu digitalisieren, sondern diese digitalen Modelle auch mit der Fertigung zu verknüpfen?
R. W.: „Die größte softwareseitige Herausforderung ist die Interoperabilität, sprich, dass die unterschiedlichen Softwares miteinander arbeiten können. In der Vergangenheit wurden alle Softwares so entwickelt, dass sie wahrscheinlich für den jeweiligen Anwendungsfall perfekt sind. Aber sie wurden auch so entwickelt, dass sie nur für den Anwendungsfall gelten.

Jetzt sind wir in einer Welt, in der wir integral zusammenarbeiten wollen, das heißt, die Softwares müssen miteinander kommunizieren können. Das ist ein schwieriger Schritt, die Entwicklung wird besser, aber es braucht noch Zeit. Und BIM ist einfach eine integrale Arbeitsmethode und keine Technologie, das begreifen die meisten auch noch nicht. Wenn wir die Software einsetzen wollen, dann müssen wir auch unsere Arbeitsprozesse ändern. Die immer komplexer werdenden Bauprojekte funktionieren nur mit der Unterstützung von digitalen Werkzeugen.“

In der Automobilindustrie zum Beispiel ist die automatisierte Fertigung sehr weit fortgeschritten. Warum ist das in der Baubranche so schwierig?
R. W.: „In der Automobilindustrie herrschen Laborbedingungen und die Anzahl von Automobilfirmen in Deutschland ist überschaubar. Allein in Nordrhein-Westfalen gibt es dagegen mehrere Tausend Architekturbüros. Die Hülle und Fülle an Denkweisen, um ans Ziel zu kommen, ist exorbitant hoch. Es werden unterschiedliche Softwares genutzt, und es gibt keine Laborbedingungen in der Baubranche. Jedes Haus ist anders, die Bedingungen sind unterschiedliche, die Umgebung, der Untergrund, die Vorschriften.“

Führt trotzdem kein Weg an der BIM-Methode vorbei?
R. W.: „Fahren Sie immer noch mit dem ADAC-Straßenatlas? Für seine Anwendung ist der Atlas vielleicht perfekt geeignet, aber in einer digitalen Welt bietet die Zentralisierung von Informationen noch viel mehr Möglichkeiten, wie zum Beispiel eine Verkehrsplanung oder eine Rettungswegplanung. Ebenso ist es auf jeden Fall sinnvoll, ein Gebäudemodell in 3D und mit angereicherten Informationen hochzuziehen.

Bei Einfamilienhäusern hingegen macht BIM derzeit nur begrenzt Sinn, da ist der Aufwand einfach noch zu groß. Erfahrene Architekt:innen sind dann mit CAD viel schneller, weil die Einfamilienhäuser nicht so komplex sind. Bei Gebäuden hingegen, die viele Etagen haben, in denen sehr viel Technik steckt und für deren Entwicklung verschiedene Fachplaner:innen zusammenarbeiten müssen, da lohnt sich die Anwendung der BIM-Methode. Anfangs hat man mehr Arbeit, aber das Wunder muss nicht auf der Baustelle geschehen, die Lösungen müssen nicht mehr erst vor Ort gefunden werden und insgesamt entstehen weniger planungsbedingte Fehler auf der Baustelle."

Es wird doch auch ohne BIM mit Plänen auf der Baustelle gearbeitet.
R. W.: „Wenn man ein BIM-Modell hat, hat man ja nicht nur das 3D-Modell. Optimalerweise sollten alle Informationen im Modell verfügbar sein. Das können bislang nur einige fortschrittliche Unternehmen abbilden, weil die Strukturen hierfür erst aufgebaut werden müssen und gleichzeitig projektspezifisch sind. Aber sobald das 3D-Modell als zentrale Informationsdrehscheibe dient und auch zentral bereitgestellt wird, findet man alle Informationen in dem Modell. Deswegen ist die 3D-plus-Informations-Planung unbedingt zu empfehlen und bietet ein bisher noch nicht absehbares Potenzial.“

Kommen wir abschließend noch einmal auf Schnittstellen zurück. Sie haben sich mehr „Interoperabilität“ gewünscht. Ist das nur ein Wunschdenken oder gibt es dafür auch schon vielversprechende Ansätze?
R. W.: „Ein gutes Beispiel liefert LIST Eco. Jannick Höper und Sebastian Theißen haben sich unter anderem sehr intensiv mit dem Thema Ökobilanz auseinandergesetzt und diese mittels BIM automatisiert. Entstanden ist so etwas wie ein Ökobilanz-Rechner. Und gibt es solche tollen Lösungen, ist es wichtig, dass wir auch darüber sprechen, was das für den Umgang mit den Daten im BIM-Modell bedeutet. Denn nur mit intelligent gewählten Standards kommen wir unserem Ziel näher: eine Welt, in der wir integral zusammenarbeiten und in der die Softwares uneingeschränkt miteinander kommunizieren können.“

Holz Bohrer, automatisierte fertigung, BIM
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Zur Person.

Prof. Dr.-Ing. Reinhard Wimmer hat sein Studium an der RWTH Aachen University im Fach Wirtschaftsingenieurwesen mit der Fachrichtung Bauingenieurwesen absolviert. Promoviert hat er am Lehrstuhl E3D für Energieeffizientes Bauen zum Thema "BIM-Informationsmanagement bei der thermisch energetischen Simulation von gebäudetechnischen Anlagen". Er war der Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung bei der TMM Group Gesamtplanungs GmbH & FACT GmbH (TGA-Fachplaner) und arbeitet als Professor an der Fakultät für Architektur und Bauwesen an der Hochschule Karlsruhe mit dem Schwerpunkt Building Information Modeling.