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Urban Jungle – nichts bleibt, wie es ist.

Städte stehen dauerhaft unter dem Einfluss verschiedener Megatrends. Veränderung gehört zur Tagesordnung. Die Projektentwicklung auf das Zusammenbringen von Standort, Nutzer und Kapital zu reduzieren, scheint da grob fahrlässig. Aber was müssen Immobilien und ihre Entwickler heute leisten, um im Urban Jungle zu bestehen?

Kurz vorweg erklärt:

LIST Develop Commercial profitiert zukünftig von einer neuen Geschäftsführung. Denn Jenny Gesterkamp und ihr Team von LIST Projekt Management haben sich mit dem Team von Michael Garstka zusammengeschlossen. Mit dieser Entwicklung werden wir als Gruppe der in der Vergangenheit gestiegenen Komplexität im Projektentwicklungsgeschäft gerecht. Klingt logisch, bleibt aber natürlich nur an der Oberfläche. Also haben wir nachgefragt. Was sind die veränderten Einflüsse und Ansprüche im Dickicht der Stadt, mit denen die Projektentwickler und die Projektsteuerer jonglieren müssen? Gelandet sind wir bei Schlagworten wie Kiez, Last-Mile-Logistik und Maßstäblichkeit. Und zwischen den Zeilen geht es immer wieder um eines: Nachhaltigkeit in ihren verschiedensten Formen und Farben.

Vom Dorfleben in der Stadt.

„Als ich mich vor vielen Jahren auf die Projektsteuerung spezialisiert habe, war unser Geschäft definitiv noch ein anderes“, erklärt Jenny Gesterkamp, die Michael Garstka seit September in der Geschäftsführung von LIST Develop Commercial ergänzt. „Wir haben uns eher um die Errichtung von Monostrukturen gekümmert. Da war die Komplexität geringer.“ Seitdem hat sich einiges getan. Bereits vor fünf bis zehn Jahren haben unsere Projektentwickler damit begonnen, die Nutzungen zu durchmischen. Das Quartier eroberte die Städte. Heute liegt die Vermutung nahe, dass der Veränderungsprozess abgeschlossen ist. Dem ist aber nicht so, weiß Michael Garstka: „Das Quartier und ‚Mixed Use‘ wurden bislang synonym verwendet. Es ging vor allem darum, mehreren Nutzungen unter einem Dach Platz zu bieten. Das reicht heute aber längst nicht mehr aus. Der eigene Stadtteil wird für die Menschen wieder wichtiger. Schnell und bequem wollen sie alles am liebsten direkt vor der Haustür erledigen. Das erhöht den Anspruch an die Quartiersentwicklung enorm.“ Man könnte sagen, dass sich eine Art Dorfleben in der Stadt ausbreitet. Und manchmal ist es nur eine Projektentwicklung, die diese Entwicklung befeuert und vor Ort vieles verändert. „Wenn die Menschen plötzlich in ihrem Stadtteil nicht mehr nur wohnen, sondern auch arbeiten können, dann wird auch ihr Bewegungsradius viel kleiner. Das wiederum verhindert den Kaufkraftabfluss im Stadtteil und erhöht zum Beispiel die Relevanz für kulturelle Angebote. Und mit jeder neuen Entwicklung wird dieser Effekt größer“, führt Jenny Gesterkamp weiter aus.

In Fachartikeln liest man in diesem Zusammenhang immer häufiger das Wort „Konnektivität“. „Ein Wort, das alles und nichts heißen kann“, schmunzelt Michael Garstka. „Nein, mal ganz ehrlich. Es geht in meinen Augen darum, die Menschen zu verbinden. Begegnungsstätten zu schaffen und Barrieren abzubauen. Das ist der eine Aspekt, der mit diesem Wort zum Ausdruck kommt. Außerdem müssen Quartiere integrativ sein. Sie müssen sich inhaltlich und auch ästhetisch in die Nachbarschaft einfügen und zu einem Teil von ihr werden. Deshalb werden die Architektur und auch Beteiligungsprozesse für die Stadtteilbewohner in unseren Projekten immer wichtiger. Wir müssen etwas schaffen, das die Menschen in ihrem Kiez mit offenen Armen empfangen. Nur unter Berücksichtigung von diesem gesamtgesellschaftlichen Kontext schaffen wir nachhaltige Lösungen, die sich auch für Investoren rechnen.“

 

Die Karten werden noch stärker gemischt.

Dieser neue Fokus sowie eine gewisse Vorsicht bei den Mietern in Sachen Neuansiedlung – entstanden durch die Corona-Situation – führen außerdem dazu, dass die Maßstäblichkeit der Flächen immer stärker in den Mittelpunkt rückt. „Die Mieter und auch Endinvestoren können bei einer kleinteiligeren Verteilung der Flächen ihr Risiko besser streuen. Außerdem können wir den Ansprüchen an eine nachhaltige Entwicklung für den Stadtteil besser gerecht werden“, erklärt Michael Garstka die Hintergründe. „Wir bleiben also bei Mixed Use und werden dabei noch flexibler. Das Erdgeschoss zum Beispiel ist längst nicht mehr dem Handel vorbehalten. Ebenso können Gastronomie oder Hotel eine Rolle spielen. Dabei haben wir uns davon gelöst, dass das Erdgeschoss ausschließlich die Funktion des Frequenzbringers innehat. Denn es kann – zumindest in Teilen – durchaus auch wie eine Art Verteilerebene genutzt werden. Dann bekommen die Nutzungen zwar einen aufmerksamkeitsstarken Eingangsbereich im Erdgeschoss. Haben die Kunden oder Gäste das Gebäude aber betreten, werden sie weiter nach oben geleitet. Die eigentliche Nutzung befindet sich dann ein oder mehrere Stockwerke höher.“ Und auch kulturelle Einrichtungen erhalten bei den beiden Geschäftsführern eine echte Chance. Sie müssen aus wirtschaftlicher Perspektive natürlich tragbar sein, damit die Produkte für Endinvestoren interessant bleiben. Trotzdem wollen Michael Garstka und Jenny Gesterkamp den Nutzer zukünftig noch stärker in den Fokus setzen.

Diese Entwicklung macht wiederum die Genehmigungsprozesse und die Realisierung natürlich nicht einfacher, weiß Jenny Gesterkamp: „Die B-Pläne stammen in der Regel aus einer Zeit, in der eine Durchmischung in derartiger Form gar nicht vorgesehen war. Das muss man unbedingt schon in seiner Planung frühzeitig berücksichtigen.“ Im Bau habe man zudem viel mehr Ansprüche, die untereinander abgewogen und kombiniert werden müssten. Dafür komme es mehr denn je auf das Fingerspitzengefühl und eine gute Kommunikation an. Das bestätigt Michael Garstka: „Auch kleinere Nutzungen müssen aufeinander abgestimmt sein – vielleicht sogar mehr denn je. Denn nur so können wir Synergieeffekte schaffen, von denen alle profitieren. Hotels haben da beispielsweise den Anfang gemacht und nicht mehr auf einen ebenerdigen Empfangsbereich bestanden. Zurzeit spüren wir wiederum erste Veränderungen bei den Handelskonzepten, die sich eher auf Klasse statt Masse fokussieren. Die Entwicklung von City-Konzepten nimmt deutlich zu. So hat die Bünting-Gruppe für ihre Flächen in unseren Neutor  Arkaden in Emden beispielsweise erstmals einen Combi-Verbrauchermarkt im speziellen City-Format geplant. Und selbst die Lebensmittel-Discounter drängen verstärkt in diese Richtung. Jetzt liegt es an uns, das bestmöglich zu kombinieren.“  

Neue Konkurrenten im Spiel.

„Die Flächenverteilung in Immobilien noch einmal zu überdenken heißt zudem, dass zum Beispiel Logistik und Produktion plötzlich auch eine Rolle spielen“, stellt Jenny Gesterkamp in den Raum. „Wenn wir die Wertschöpfung im städtischen Umfeld weiter verbessern und den Menschen alles an einem Ort ermöglichen wollen, dann gehören diese Themen auch mit in die Quartiere.“ „Das beschäftigt uns gerade sehr“, führt Michael Garstka weiter aus. „Die große Herausforderung, mit der wir und auch die Unternehmen uns dabei aber noch konfrontiert sehen, ist Integration. Man kann einen Produktionsstandort nicht eins zu eins von der grünen Wiese in die Stadtteile übertragen. Und auch in der Logistik müssen neue Lösungen her. Die städtische Infrastruktur hat vielerorts ihr Kapazitätslimit erreicht, das ist kein Geheimnis. Innovative Zustell-Konzepte für die letzte Meile zu den Kunden brauchen aber ebenso innovative Immobilienlösungen.“ Diese Entwicklung sei zwar schon viel diskutiert, stünde aber noch ganz am Anfang. „In der Quartiersentwicklung ist diese neue Nutzungsform definitiv noch kein fester Bestandteil“, gibt Jenny Gesterkamp einen tieferen Einblick. „Wir spüren aber, dass das Umdenken bereits stattgefunden hat, und verstehen uns als Sparringspartner. Wie lassen sich die sogenannten Micro-Hubs erfolgreich in unsere Quartiere integrieren? Wie gehen wir mit den Themen Lärmschutz, Lauf- und Transportwege im Gebäude oder auch Park- und Beladeflächen um? Es geht nicht nur um die eigentliche Logistiklösung, sondern auch um eine intelligente Integration in ein städtisches Umfeld, das Vorbehalte gegen diese neue Nutzung hat. Nur wenn wir echte Lösungen präsentieren, die für alle Beteiligten funktionieren, können wir mit der Immobilie einen positiven Einfluss auf das Image und den ökologischen Fußabdruck der Kurier-, Express- und Paketdienstleister nehmen und zeitgleich zu einer weiteren Durchmischung beitragen.“ 

Die aktuelle Aufgabe der Marktakteure ist es momentan also, den theoretischen Mehrwert zu einem praktischen zu wandeln. Es müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, in denen sich für Unternehmen die neugewonnene Nähe zu den Kunden und Mitarbeitern auch auszahlt. „Gleichzeitig dürfen wir die Zweitverwendbarkeit der Immobilie nicht aus dem Blick verlieren“, wirft Michael Garstka ein. „Das muss man immer im Gleichgewicht halten. Da, wo in den nächsten fünf Jahren gearbeitet wird, ist vielleicht schon in zehn Jahren eine Wohnnutzung sinnvoller. Und darauf müssen wir die Flächen vorbereiten. Die kurzen Lebenszyklen der Immobilien der vergangenen Jahre sind vielen ein Dorn im Auge geworden – zu Recht. Und Langlebigkeit erschaffen wir nur, indem wir die Zweitverwendbarkeit von Beginn an mit einplanen.“ Und Wohnen ist dabei ja auch nicht gleich Wohnen. Wenn die klassische Dreizimmerwohnung sich in dem Grundriss der Produktionsräume nicht ohne weiteres unterbringen lässt, sind vielleicht Modelle von Longstay-Anbietern, die sich gerade einen festen Platz im Markt erarbeiten, möglich.

 

Die Möglichkeiten der Technik.

Bleibt noch die Frage nach der Technik und der Digitalisierung. Werden die Gebäude jetzt alle smart? Und können sie zukünftig CO2-neutral betrieben werden? Dazu hat Jenny Gesterkamp eine klare Meinung: „Auch wenn das für uns alle noch viel Arbeit bedeutet, würde ich beide Fragen mit einem klaren Ja beantworten. Der schon genannte Anspruch auf Konnektivität macht auch hier keinen Halt. Das fängt bei einer intelligenten, zentral geregelten Müllentsorgung an und hört bei der individuellen Klimatisierung der Räume auf. Wir müssen die Technische Gebäudeausrüstung mit unseren Experten von LIST Ingenieure so effizient wie nur irgendwie möglich für den Betrieb gestalten und dann auch die Möglichkeiten der Digitalisierung für die Steuerung dessen nutzen.“ Die Anwendung der BIM-Methode sei dabei eine Art Grundlagenschaffung, holt Michael Garstka weiter aus. „Während sich alle den Kopf darüber zerbrechen, wie sie ihre eigenen Prozesse digitalisieren und die BIM-Methode sinnvoll anwenden, wäre ich zu gerne schon einen Schritt weiter. Mich treibt die Frage um, wie wir nicht uns, sondern die Immobilie noch stärker digitalisieren. Und zwar so, dass es die Qualität unserer Produkte erhöht. Aber ich möchte nicht zu ungeduldig sein.“

Mit der Tatsache, dass sämtliche neue Projektentwicklungen von LIST Develop Commercial von nun an mithilfe eines BIM-Modells umgesetzt werden, schaffen die Kollegen zum Beispiel schon die Möglichkeit für eine digitale Besichtigung der Räume. Außerdem kann der Hausmeister von zu Hause aus nachgucken, welches Leuchtmittel er für die kaputte Lampe besorgen muss, zu der sich gerade ein Mieter gemeldet hat. Und auch in Sachen Energieeffizienz kommen die Projektentwickler Stück für Stück voran. Vorab werden Simulationen durchgeführt, die den tatsächlichen Bedarf unter Berücksichtigung einer möglichen Zweitverwendung errechnen. Und je nachdem wie diese ausfallen, hinterfragen die Geschäftsführer auch veraltete DIN-Normen und VDI-Richtlinien – natürlich in engem Austausch mit den Investoren und zugunsten einer verbesserten CO2-Bilanz. „Das ist ein neuer Ansatz, der bei unseren Investoren aber durchaus auf Interesse stößt“, schließt Michael Garstka das Thema ab. „Denn eines haben die letzten Jahre schon gezeigt: Nur was nachhaltig ist, funktioniert auch langfristig.“ Wobei wir wieder bei dem Ausgangspunkt unseres Termins wären, schließt Jenny Gesterkamp den Kreis: „Die Verschmelzung von Projektentwicklung und Projektmanagement hilft uns dabei, diesen städtischen Urwald noch besser in den Griff zu bekommen. Wir verzahnen die Disziplinen und können uns jeweils doch auf das konzentrieren, was wir am besten können. Das macht uns und auch unsere Lösungen wieder etwas nachhaltiger.“