Neue Assistenz aus der Luft – Einsatz von Drohnen auf unseren Baustellen.

Bevor es auf einer Baustelle richtig rundgehen kann, muss das Bauland vermessen werden. Und auch bei weiteren Meilensteinen im Projektverlauf zählt jeder Zentimeter. Bislang kommt dafür der Vermesser und legt den einen oder anderen Kilometer auf dem Areal zurück. Das kostet Zeit und Geld – aber daran lässt sich etwas machen. Denn in einem Pilotprojekt testen wir eine neue, technische Teamassistenz, die diese Kosten und die Zeit reduziert.

Pilotprojekt: Logistikzentrum in Bad Bentheim

Christian Boers ist gelernter Bauzeichner und arbeitet als 3D-Modellierer für LIST Bau Nordhorn. Seine Kollegen errichten für das Unternehmen Diederichs Karosserieteile bis zum Frühjahr nächsten Jahres ein Logistikzentrum in Bad Bentheim. Die Ausführungsplanung ist abgeschlossen. Eigentlich hätte er jetzt erst einmal weniger mit dem Projekt zu tun. Schließlich ist er der Mann für die Planung und nicht für die Praxis. Aber es gibt da ein Pilotprojekt, das seinen Arbeitsalltag ganz schön verändert. Kurz gesagt implementieren er und die Kollegen aktuell Drohnen in unsere Bauabläufe. Arbeitserleichterungen bei Aufmaß und Dokumentation – das sind die ersten großen Ziele. Und Christian wurde gefragt, ob er die Federführung übernimmt. „Ich habe keine Sekunde gezögert“, gibt er einen Einblick. „Die Digitalisierung hat mich schon vom klassischen Bauzeichner zum 3D-Modellierer gemacht. Wenn ich jetzt auch noch in die Lage versetzt werde, das Aufmaß für meine Planungen hier am PC selbst zu machen, übernehme ich gerne Verantwortung auf dem Weg dahin.“ Und ein erstes Mal hat sich seine Assistenz aus der Luft gerade bewiesen. Der Vermesser hatte berechnet, dass rund 6.500 Kubikmeter Torf abgetragen werden müssen, die Punktwolke vor ihm lässt auf ein fast identisches Ergebnis schließen. 

Die technische Teamassistenz.

Das Bauvorhaben in Bad Bentheim ist eines von drei Testprojekten, in denen eine Drohne und Christian aktuell quasi zum Inventar gehören. Vor drei Wochen – noch vor Baustart – fand der erste Flug statt. Heute ist der 3D-Modellierer ein zweites Mal vor Ort und schaut sich die Baustelle gemeinsam mit Projektleiter Frank Fimpler von oben an. Langfristig wird jedes Baustellenteam selbst zur Fernbedienung für die Drohne greifen. Aber dafür müssen seine Kollegen erst noch einen Drohnenführerschein machen. Außerdem ist der 3D-Modellierer in dieser noch frühen Projektphase auch aus einem anderen Grund selbst gefragt: „Wir müssen jetzt zunächst einmal Standards definieren. Welchen Vorgaben soll die Routenführung folgen, wie viele Fotos in welcher Auflösung werden benötigt, wie relevant sind der Einfluss von Wind und Wetter und wie hoch wollen wir fliegen?“, erklärt Christian den Grund für seinen Ausflug in die Praxis. „Nachhaltig wird das Projekt durch eine gewisse Regelmäßigkeit. Denn der große Vorteil beim Vermessen mithilfe von Drohnen ist die hohe Effizienz. Es muss niemand von A nach B rennen und das Metermaß übertragen. Das können wir zukünftig am PC erledigen – aber eben nur, wenn die Drohnenbilder all das hergeben, was wir dafür brauchen.“

Die neue, technische Teamassistenz weiß bei ihrem Einsatz in luftiger Höhe genau, was zu tun ist. Anhand von vier Orientierungspunkten hat sie das Grundstück beim letzten Mal schon eingemessen. Die Flugroute ist definiert. Die Bedienung scheint somit ein Kinderspiel. Auspacken, Knöpfchen drücken und schon fliegt die Drohne eine Runde über das Grundstück. Und ja, die Drohne als solches ist zwar die Basis für einen enormen Fortschritt in Sachen Vermessungsarbeiten und Dokumentation. Aber die eigentliche Entwicklungsarbeit, die Christian zu leisten hat, steht erst wieder nach dem Ortswechsel am nächsten Morgen im Büro an.

Auswertung der ersten Ergebnisse.

170 Einzelbilder der Drohne vom gestrigen Tag wurden über Nacht erfolgreich übereinandergelegt. Die Einstellungen passten also schon einmal, die Datenmenge kann problemlos verarbeitet werden. Gemeinsam mit Frank bespricht Christian im 3D-Modell die Ergebnisse. Während man mit dem bloßen Auge gestern vor Ort den Fortschritt des Erdbauers kaum nachvollziehen konnte, können die beiden jetzt das erste und zweite Modell aus den Drohnenflügen direkt miteinander abgleichen. Damit wird dem Abwicklungsteam zumindest schon einmal die Arbeit des Prüfens vor Ort abgenommen. Ihren nächsten Einsatz erhält die Drohne beim Einbau der Sauberkeitsschicht. Denn auch hier soll sie zukünftig die Arbeit des Vermessers komplett übernehmen.

Und was das Projektteam jetzt schon gelernt hat: In Sachen Drohnen hilft viel nicht immer viel. Bei der Erstellung der ersten 3D-Geländemodelle hat Christian die Einstellungen in der verarbeitenden Software so gewählt, dass sie eine möglichst hohe Detailtiefe erhielten. Das bedeutet, dass die von der Software erstellte Punktwolke jede kleinste Veränderung im Grundstücksverlauf mit einem Punkt markiert hat. Man konnte somit zwar an jeden noch so kleinen Sandhaufen heranzoomen und diesen vermessen, die Datenmenge war aber enorm. Bei den ersten Pilotprojekten ist das noch kein Problem, über eine Vielzahl von Projekten hinweg ist das zukünftig aber nicht sinnvoll abbildbar. Zumal Flächenveränderungen häufig erst ab zehn Zentimeter Unterschied relevant sind.

 

Landvermessung aus der Luft – warum und wie?

Mit BIM erhält das digitale Gebäudemodell immer mehr Einzug in die Planung und Ausführung der Immobilienvorhaben unserer Unternehmensgruppe. Die Vorteile für den Bauprozess sind bereits sichtbar. Und auch im Betrieb werden die Immobilien-Nutzer zukünftig deutlich davon profitieren, dass sie sich mit einem Klick im digitalen Zwilling ihres Gebäudes befinden. 

Dementsprechend treiben wir die Überführung unserer Prozesse in die 3D-Planung immer weiter voran. Der Einsatz von Drohnen ist einer der nächsten logischen Schritte. Und das nicht aus einem Selbstzweck der Drohne heraus, sondern damit wir die Möglichkeiten der Photogrammetrie voll ausschöpfen können.

Bei der Photogrammetrie wird ein Objekt – in unserem Fall das Baugrundstück – entlang einer vorab fest definierten Flugroute aus verschiedenen Blickwinkeln fotografiert. Die Bilder sind georeferenziert und in großen Teilen überlappend aufgenommen, sodass eine Software aus den in der Regel 100 bis 300 Aufnahmen ein 3D-Objekt erstellt. Dieses kann für unterschiedliche Zwecke mit verschiedenen Merkmalen bestückt werden. Für Dokumentationszwecke wird beispielsweise das digitale Orthofoto  und für Volumenberechnungen werden Punktwolken oder ein digitales Geländemodell exportiert. In jedem Fall wird der Untergrund digitalisiert. Zum Beispiel die Kombination aus dem vorhandenen Höhenprofil des Grundstücks und genommenen Bohrprofilen trägt enorm zu einer verbesserten Planung im Erdmassenmanagement bei.

Das Messen und Vermessen des Grundstücks kann dann vollständig am PC durchgeführt werden. Die Zeit- und Kostenersparnis zum klassischen Vermessen ist groß. Der Drohnenflug ist innerhalb weniger Minuten erledigt und die Berechnungssoftware kann ihre Arbeit über Nacht leisten. So können vom Büro aus fast tagesaktuell mögliche Massen für einen Aushub berechnet, die Positionen von Sauberkeitsschicht und Stützen überprüft oder die bereits verlegten Abwasserleitungen bis auf zwei Zentimeter genau festgehalten werden. Und je nachdem, welche Herausforderungen die Projekte bereithalten, sind auch weitere, spezielle Einsatzzwecke denkbar – so zum Beispiel die Simulation eines Überflutungsverlaufs.