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Kann man wirklich alles berechnen? Die Mathematik hinter Singlebörsen.

Cause and effect – irgendwie kann man doch alles voraussagen, oder? Gebäudestatik ist ja eine Sache, aber Liebe? Das behaupten zumindest Online-Partnerbörsen, die die Formel für unser Paarungsverhalten suchen. Wir schauen uns an, ob das auch funktionieren kann.

Bei den alten Römern war die Ehe eine von den Eltern arrangierte Zweckgemeinschaft, die vor allem für den Fortbestand der Familie des Mannes zu sorgen hatte. Im Mittelalter wurden die Braut und ihr Vermögen verkauft – ein reines Rechtsgeschäft. Für Liebe war kein Platz. Erst die 68er schafften es, sich zu emanzipieren. Sie prägten das Bild von Liebe, das wir heute haben, und vor allem den Weg dahin. Nun aber kommt ein ganz neuer Faktor ins Spiel, der Einfluss auf unser Paarungsverhalten nimmt.

Liebe beginnt mit Selbsterkenntnis

Bereits vor fast 18 Jahren, passenderweise am 14. Februar, ging die Plattform Parship online. Als einer der ersten Wissenschaftler hatte Gründungsmitglied Prof. Dr. Hugo Schmale ein Testverfahren für die Partnersuche entwickelt – die Basis des Parship-Prinzips. Die Mitgliedschaft bei der Online-Partnervermittlung startet somit mit dem Ausfüllen eines Fragebogens. 80 Fragen mit 400 Antwortmöglichkeiten sind Ausgangspunkt für die Ermittlung von 32 Merkmalen der individuellen Partnerschafts-Persönlichkeit. Diese beinhaltet Aussagen zu Werten und Einstellungen sowie Gewohnheiten und Interessen, die für eine Beziehung von Bedeutung sind. So lernen die Singles zunächst sich selbst besser kennen.

Alles eine Frage der Wissenschaft

Ist dieser erste Schritt geschafft, kommt der Algorithmus ins Spiel: Ein auf 136 Regeln basierender, eigens für Parship entwickelter Matching-Algorithmus berechnet auf Basis der jeweils vorab festgestellten 32 Merkmale, welche Singles gut zueinander passen. Dabei werden Persönlichkeitsmerkmale mit 60 Prozent, Interessen mit 20 Prozent sowie Neigungen, Vorlieben und Meinungen ebenfalls mit 20 Prozent gewertet. Ein höchst theoretischer Prozess, der sich unter anderem auch auf Erkenntnisse aus der Partnerforschung stützt.

So hat man beispielsweise herausgefunden, in welchen Bereichen Partner einander ähneln sollten (Bedürfnis nach Nähe, Einfühlsamkeit) und wo Unterschiede von Vorteil sind (Dominanz, Temperament). Ziel ist es, dass die Persönlichkeiten möglichst gut harmonieren. Und das sei laut Schmale bei einer 80-prozentigen Übereinstimmung der Fall. Es entstehe ein kommunikatives Miteinander. Bei hundertprozentiger Übereinstimmung bestünde hingegen die Gefahr von Langeweile, da es nichts mehr auszuhandeln gibt. 

Eine Frage der Wahrscheinlichkeit

Da ist es also: das Geheimrezept für die Liebe. Oder? Dann fragen wir uns aber, warum man bei Parship nicht den einen richtigen Partner vorgestellt, sondern hunderte von Personen mit unterschiedlich hohen Matching-Points in einer Art Warenliste dargeboten bekommt?! Eine Frage, mit der wir Parship mehr oder weniger indirekt vorwerfen, gegenüber seinen Mitgliedern ein falsches Versprechen abzugeben. Das aber ist vorschnell. Denn liest man sich die Texte auf der Website des Onlineportals einmal durch, findet man genau dieses Versprechen nicht. Das Versprechen, dass Hugo Schmale gibt, ist ein anderes: „Liebe ist so etwas Magisches, das man nicht messen kann. Und was ich machen kann, ist dem Gefühl von Liebe eine größere Wahrscheinlichkeit zu geben.“ 

Die Mischung macht's.

Das sagt die Praxis

Gleiches bestätigt Samantha Joel, eine Psychologin von der University Utah, in der Studie „Is Romantic Desire Predictable?“. Sie untersuchte, ob ein Algorithmus die große Liebe vorhersagen kann. Zunächst füllten die Probanden einen Persönlichkeitsfragebogen aus. Dann folgte ein Speed-Dating. Und das Ergebnis hätte eindeutiger nicht sein können: Nur eine geringe Zahl der Personen, die sich im echten Leben anziehend fanden, hatte der PC zuvor miteinander gematcht. Grund dafür: Die – wie Parship sie bezeichnet – Partnerschafts-Persönlichkeit ist nur eine von verschiedenen Faktoren.

Und so sagt selbst Sandra Köldorfer, Psychotherapeutin und Psychoanalytikern bei der Sat.1-Doku-Soap „Hochzeit auf den ersten Blick“, dass ein perfektes Match noch lange kein Garant für ein gemeinsames Liebesglück ist. Überraschend vor allem vor dem Hintergrund, dass die Show den Umgang mit der Persönlichkeitsanalyse auf die Spitze treibt. Allein auf Basis von theoretischen Castingdurchgängen werden sich bis dato völlig unbekannte Paare vor den Traualtar gebracht. Aber sie gibt offen zu, dass das Gesamtbild – die Chemie, der Geruch, der Gang, die Mimik, das Sprachbild, der Charme und der Humor – fehlt. Gerade anhand dieser Wahrnehmungen ließe sich erst erspüren, ob der andere zu einem passt. 

Selbst sind der Mann und die Frau

Heißt das nun im Umkehrschluss, dass wir uns mit den Algorithmen auf dem Holzweg befinden? Nein. Sie decken lediglich nicht das gesamte Spektrum des Verliebens ab. Betrachten wir sie also lieber als Wegbereiter.

Verlieben müssen wir uns noch selbst.