Quelle: a|w|sobott, André Sobott

Die Unsicherheit im Boden – und wie man sie vermeidet.

Jenny Gesterkamp steht als Projektsteuerin auf der Seite von Bauherren – sie kennt die Tücken, die sich in der Blackbox Boden verbergen. Ihre Tipps, wie man die vermeidet, verrät sie im Interview.

Frau Gesterkamp, gilt bei Grundstücken generell: Gekauft wie gesehen?

„Das hat mit der Praxis im Bereich von Gewerbeimmobilien zwar nicht viel zu tun, trifft aber grundsätzlich zu. Ein Bauherr muss dafür Sorge tragen, dass das Grundstück die Beschaffenheit aufweist, der es für die geplante Bebauung bedarf. Und als Profi überlässt er genau das nicht dem Zufall. Grundstücke werden entgegen der Floskel nicht einfach nur angesehen und dann gekauft. Als Zwischenschritt hat sich eine ausführliche Prüfung etabliert. Da sprechen wir dann nur noch über ein unvermeidbares Restrisiko. Und sofern man keine Vorkehrungen trifft, heißt es hier dann tatsächlich: Gekauft wie gesehen.“
 

Können Sie uns an einem Beispiel sagen, wie eine solche Vorkehrung konkret aussehen könnte?

„Stellen wir uns vor, Sie möchten ein Grundstück kaufen und haben bereits Proben nehmen lassen. Die Ergebnisse sind super: Die Tragfähigkeit überschreitet den geforderten Wert für Ihr Objekt, sodass eine Sondergründung oder ein Bodenaustausch nicht mit einkalkuliert werden muss. Bei bereits realisierten Bauvorhaben in der Nachbarschaft wurden aber abweichende Erfahrungen gemacht. Teile der Grundstücke waren weich wie Pudding.

Was also tun? Weil Sie einen guten Draht zum Verkäufer aufgebaut haben und er mit Ihnen einen fairen Deal finden möchte, können Sie eine Klausel mit in den Vertrag aufnehmen lassen, der den Verkäufer im Fall einer Abweichung von der Tragfähigkeit der Stichproben in die Pflicht nimmt. Damit habe ich bislang sehr gute Erfahrungen gemacht. Es kommt hierbei nur darauf an, dass man sich im Vorfeld ausreichend über das Grundstück informiert – reine Fleißarbeit, die ich wirklich jedem empfehlen würde.“

Und tragen Sie als Projektmanagerin auch ein Stück weit die Verantwortung für das Baugrundrisiko?

„Ich vertrete Bauherren und übernehme einen Großteil ihrer Aufgaben im immer komplexer werdenden Entstehungsprozess von Immobilien. Trotzdem liegt die Verantwortung – rein juristisch betrachtet – bei den Bauherrn. Aber ich bin da ganz bei Ihnen. Nur wer sich als Projektmanager oder -steuerer in der Verantwortung und auch in der Pflicht sieht, kann einen guten Job machen und den Einsatz zeigen, der notwendig ist. Wenn ich also etwas übersehe, das ich durchaus hätte entdecken können, dann ist das auch mein Ding.“

Also sind Sie dafür verantwortlich, die Risiken im Verlauf eines Projektes so stark wie möglich zu reduzieren. Das Baugrundrisiko ist und bleibt aber nun einmal vorhanden. Wie passt das zusammen?

„Natürlich ist der Boden immer eine Herausforderung – mehr aber auch nicht. Ich habe im Laufe der Jahre gelernt, mit Zwangspunkten umzugehen. Und der Baugrund ist eben einer davon. Unsere Auftraggeber haben das Grundstück aus verschiedenen Gründen ausgewählt. Manchmal gibt es noch weitere Alternativen, häufig aber auch nicht. Denn wir wissen alle: Attraktive Grundstücke sind ein rares Gut. Also muss ich Schritt für Schritt das Risiko reduzieren. Was bleibt ist ein Restrisiko, das einem – wie Sie sagen – niemand nehmen kann. Aber auf das wir im Fall der Fälle Antworten parat haben müssen. Da spielt Erfahrung natürlich ein große Rolle.“

Auch auf ein Restrisiko muss man eine Antwort haben.

Wie viel Respekt vor dem Boden ist Ihrer Meinung nach gesund?

„An einem Baugrundgutachten führt kein Weg vorbei. Liegt dieses noch nicht vor, sollte man parallel zu den ersten Planungen und vor dem Kauf des Grundstücks unbedingt einen Gutachter einschalten. Schon zu diesem frühen Zeitpunkt muss geklärt werden, ob der Boden Altlasten enthält und wie es um die Tragfähigkeit steht. Denn die Ergebnisse können einen entscheidenden Einfluss auf die Kosten und das Timing des Vorhabens nehmen. Außerdem ist der Baugrund die Grundlage von allem und dabei die größte Blackbox.

Schafft er es trotz der stichprobenartigen Überprüfung, ein Geheimnis für sich zu behalten, kann man das im Bauverlauf in der Regel noch ganz gut verkraften – eine Hürde, aber kein Anlass dafür, das ganze Projekt infrage zu stellen. Hat man das Grundstück im Vorfeld aber nicht genau genug unter die Lupe genommen, summieren sich diese unerwarteten Hürden eventuell zu einem nicht mehr zu überwindenden Berg. Die Termine und Kosten laufen aus dem Ruder. Und ich stehe dafür gerade, dass genau das nicht passiert. Da ist ein gewisses Maß an Respekt definitiv gesund. Angst hingegen ist kein guter Berater.“

Die Blackbox Boden wird geöffnet.

Die Tiefbauarbeiten starten. Die Blackbox Boden wird geöffnet. Welche Szenarien können sich abspielen?

„Weil Stichproben immer nur beispielhaft einzelne Grundstücksbereiche abdecken, fängt bei Vielen das große Bibbern an, wenn der Bagger in der Praxis dann tatsächlich anfängt zu graben. Erst jetzt wird ersichtlich, ob der Boden womöglich doch Schwächen in der Tragfähigkeit oder auch der Versickerungsfähigkeit aufweist. Oder ist er eventuell in Teilen konterminiert? Und auch Kampfmittel oder archäologische Funde können noch zum Vorschein kommen. All das habe ich schon erlebt – das muss man glaube ich auch nicht schönreden. Aber dem muss man sich stellen. Es müssen Lösungen her. Dann können Rechenspiele beginnen – im wahrsten Sinne des Wortes. Erst wenn man alle Parameter zusammengetragen und verglichen hat, kann man einen Strich ziehen, die Dinge abwägen und Entscheidungen treffen. Das Ziel ist klar: So wenig Zeit und Geld wie möglich verlieren.“

Das klingt spannend. Was genau verbirgt sich denn hinter diesen „Rechenspielen“?

„Gute Frage. Womit fange ich da an? Vielleicht mit den Fragen, die mir durch den Kopf gehen, wenn ein Baugrundgutachten negativ ausfällt. Reicht eine Bodenverbesserung oder ist ein Bodenaustausch notwendig? Oder aber bringt man eine Auflast auf das Grundstück und wartet ab? Kann der Boden aufgefüllt und das Gebäude angehoben werden oder ist eine Tiefengründung notwendig? Die Zusammenhänge sind sehr komplex.

Lassen wir unseren Gedanken dazu einmal freien Lauf: Die Bodenverbesserung könnte zum Beispiel wirtschaftlich attraktiv sein, aber es findet sich kein Unternehmen, das die Arbeiten innerhalb des geplanten Zeitfensters ausführt. Eine Auflast, die den womöglich wassergesättigten Boden ausquetscht wie einen Schwamm, könnte ebenfalls aus Zeitgründen nicht infrage kommen. Das Grundstück wird bei dieser Methode für einen gewissen Zeitraum stillgelegt. Das funktioniert manchmal einfach nicht und wird damit zu einem teuren Vergnügen.

Andererseits gibt es auch Situationen, in denen genau das überhaupt kein Problem ist, weil zum Beispiel bestimmte Genehmigungen so oder so noch ausstehen. Und apropos Genehmigungen: Die könnten zum Beispiel eine Rolle beim Auffüllen des Grundstücks spielen. Vielleicht ist es zwar am kostengünstigsten, das Gebäude durch die Zufuhr von neuem Boden anzuheben, aber die Höhenbegrenzung des Gebäudes macht dem Verfahren einen Strich durch die Rechnung.

Und genau dieses Spiel könnte ich jetzt unendlich lange weiter- spinnen. Wichtig ist es, alles auszuloten. Und damit meine ich: wirklich alles! Denn auch wenn ein Bodenaustausch ausgeschlossen scheint, weil die Kosten zu hoch sind, macht das ausführende Unternehmen vielleicht ein attraktives Angebot, weil es den Aushub an anderer Stelle wiederverwerten kann. Nichts ist unmöglich.“

Quelle: a|w|sobott, André Sobott

Zum Unternehmen

Jenny Gesterkamp und ihr Team sind das Bindeglied zu Auftragnehmern, Behörden, Gutachtern sowie möglichen Nutzern und Investoren. Sie steuern die Arbeiten eines Generalunternehmers, managen auf Wunsch aber auch die Vergabe an Einzelgewerke. Das Spannungsfeld, in dem sich Jenny Gesterkamp dabei bewegt, ist groß. Zwischen dem großen Ganzen und den vielen kleinen Details. Zwischen individuellen Vorstellungen und Bedenken oder auch Einwänden. Aber sie ist erfahren im Umgang damit und weiß, wie sie sich sicher auf dem schmalen Grat zu bewegen hat.