So sehen die Akustikpaneele aus Myzel von Mogu im Büro aus.
Quelle: mogu - Mogu Fields - Interiors

Biologisch abbaubare Akustikpaneele – wenn Pilze für Ruhe sorgen.

Etablierte Lösungen für die Raumakustik gibt es viele: Polyesterschäume oder Verbundstoffe, Lochdecken, schwere Vorhänge oder auch spezielle Bodenbeläge. Funktional, aber leider nicht nachhaltig. Ein Gegenentwurf: Das norditalienische Unternehmen Mogu hat myzelbasierte Akustikpaneele entwickelt, die vollständig kompostierbar sein sollen.

Unser Leiter Nachhaltigkeitsentwicklung Jürgen Utz ist Architekt, hat aber ebenso die Diplom-Vorprüfung in Biologie absolviert. Er hat somit eine Passion für naturbasierte, kreislauffähige Alternativen zu konventionellen Produkten. Auch Pilze sind für ihn ein spannendes Material. Daher war es wenig verwunderlich, als er mit Mogu um die Ecke kam. Das Unternehmen betreibt nach eigenen Angaben „Biodesign“ und entwickelt verantwortungsvolle Lösungen für den Innenausbau, ohne Kompromisse bei Leistung und Ästhetik einzugehen. Bislang hat das Unternehmen Akustikpaneele und Bodenbeläge auf Pilzbasis auf den Markt gebracht.

„Pilze werden zu Recht als Basis für mögliche Baustoffe der Zukunft gehandelt. Sie sind das zweitgrößte Organismenreich und man schätzt ihre Anzahl auf 2,2–3,8 Millionen.
Der Größte ist über 2.000 Jahre alt, 600 Tonnen schwer und fast 1.000 Hektar groß. Ist das nicht faszinierend? Dazu kommen viele verschiedene Eigenschaften, sie sind kreislauffähig und spielen in vielen Lebensräumen eine wichtige Rolle für deren Funktionieren, zum Beispiel im Wald“, führt Jürgen Utz begeistert aus. „Und was mich besonders freut, ist, dass wir mit Mogu Acoustic nun tatsächlich mit einem marktreifen Produkt aus der Theorie und Forschung in die Praxis kommen.“

Unsere Nachhaltigkeitsexpert:innen haben bei der Suche nach Lösungen natürlich immer auch deren praktische Anwendbarkeit im Blick. Dazu prüfen sie verschiedene Aspekte gerne auch mit den Fachexpert:innen, zum Beispiel Volker Hopp, Prozessmanager bei LIST Bau Nordhorn. „Wir bewerten, ob das Produkt auch wirklich eingesetzt werden kann“, gibt Volker Hopp einen Einblick und führt weiter aus, dass das Ergebnis für die Mogu-Produkte eindeutig ausfällt. „Für die Schallabsorption vor allem bei mittleren Frequenzen von 250 bis 1.000 Hertz würde ich die Produkte definitiv an die Wand bringen. Lediglich in Räumen mit hoher Feuchtigkeit wie Bädern oder auch Küchen wäre ich vorsichtig.“

Außerdem seien die feuerhemmenden Eigenschaften der Akustikpaneele ein gutes Argument für das Produkt. „Myzel als solches verlangsamt die Ausbreitung einer Flamme und verursacht ‚nur‘ eine Verkohlung. Und weil das Myzel zudem noch mit einer dünnen, feuerfesten Farbschicht behandelt wird, kann dieses Brandverhalten sogar noch optimiert werden. Wir landen hier in Brandschutzklasse 1 (B-s2-d0), das heißt schwer entflammbar“, ergänzt Volker Hopp. Seine Daumen gehen also hoch, die Fragen zu den Produkten sind damit aber natürlich noch nicht allesamt beantwortet. Deshalb steht uns Mogu Rede und Antwort.

Fünf Fragen an Mogu.

Wie viel Forschung steckt in Mogu Acoustics?
Mogu: „Unser Produkt ist sehr disruptiv, deshalb war es bis zur Marktreife ein langer Weg. Alles begann mit der Faszination unseres Gründers Maurizio Montalti für das Wachstum von Biomasse. Er war begeistert davon, wie diese mit einer relativ hohen Geschwindigkeit kontinuierlich erzeugt werden kann. Im Rahmen verschiedener Projekte wie zum Beispiel ‚The Growing Lab‘ oder ‚Mycelia‘ entwickelte Maurizio Montalti mehrere Versuche, die sich mit dem Potenzial von Myzel befassten. Vor allem die Umwandlung von Abfall oder Reststoffen in neue, hochwertige Materialien wurde untersucht.

Die Gründung unseres Start-ups war dann so etwas wie das Ergebnis dieser Untersuchungen. Denn Forschungen zum Potenzial und zur Machbarkeit sind das eine. Wir brauchten aber auch ein produktorientiertes Unternehmen, das sich der Entwicklung, Gestaltung, Industrialisierung und Vermarktung widmet. Die Marktanforderungen sind enorm. Die Verpackungsindustrie wäre für uns vermutlich der größte Markt gewesen, dem wir als Start-up aber nicht gewachsen waren. Deshalb haben wir uns für schallabsorbierende Paneele und Bodenfliesen – die wir auch entwickelt haben – entschieden. Ein besseres Geschäftsmodell und eine gute Einstiegsmöglichkeit. Und um nur mal ein Gefühl dafür zu geben, wie viel Zeit und Aufwand in unsere Forschung geflossen sind: Um die richtigen Mikropartner für unsere Akustikpaneele zu finden, haben wir mehr als 150 Myzel-Arten und 40 Substrate untersucht.“

Was waren die größten Herausforderungen bei der Entwicklung?
Mogu: „Zu den größten Herausforderungen gehörten zweifellos die Industrialisierung und Vermarktung unserer Produkte. Als wir anfingen, für immer größere Projekte zu arbeiten, sahen wir uns gezwungen, unser Produktionssystem zu optimieren. Um die Produktion zu beschleunigen und den Umfang zu vergrößern, mussten wir einige wichtige Arbeitsschritte durch Maschinen ersetzen. Dabei wollten wir natürlich unbedingt die hohe Qualität unserer Produkte beibehalten. Die klingt erstmal nicht nach Pionierarbeit, für uns war sie das aber. Denn eines ist für mich ganz klar: Der Einsatz von Pilzmyzel ist die aufregendste Sache seit der Erfindung von Plastik – die Möglichkeiten sind extrem vielfältig.“

Können Sie uns einen Einblick in die Züchtung von Pilzmyzel geben?
Mogu: „Die Herstellung muss man sich so vorstellen, dass pflanzliche Rückstände aus der Agro-Industrie, vor allem aus der Hanf- und Baumwoll-Produktion, mit den Pilz-Myzelien versetzt werden. Diese gehen mit dem Ursprungsmaterial gleichsam eine Symbiose ein. Einer der wichtigsten Faktoren ist dabei das Wachstum des Myzels. Die Hanf- und Baumwoll-Reste werden hierzu in speziell dafür vorgesehene Beutel, die mit Filtern ausgestattet sind, gegeben und mit Myzelien besiedelt. So stellen wir sicher, dass der Pilz während seiner verschiedenen Entwicklungsstadien richtig ‚atmen‘ kann. Nachdem die ausgewählten Substrate besiedelt wurden, werden die Säcke in unsere Mogu-Zuchträume gebracht – ein spezieller Bereich, in dem das Präparat unter kontrollierten Temperaturen etwa einen Monat lang ruhen und wachsen kann. In dieser Phase verdaut das Pilzmyzel einen Teil der Fasern und wandelt sie um. Dadurch wird die Matrixstruktur des Myzels verstärkt.

Wenn das Myzel richtig gewachsen ist, werden die Platten durch langsames Trocknen bei 50 Grad fertiggestellt. Ziel dabei ist es, die Feuchtigkeit zu entfernen, das Pilzwachstum zu blockieren und das Wachstum potenzieller Verderbniserreger, wie zum Beispiel Schimmel, zu verhindern. Sobald die Wachstumszeit in den Beuteln vorbei ist, kann das Präparat in die gewünschte Form gegeben werden, um erneut zu wachsen. Diese Phase dauert in der Regel noch etwa zehn Tage. Dann ist innerhalb kurzer Zeit und mit einem sehr begrenzten Einsatz von Ressourcen ein zu 100 Prozent plastikfreies Produkt entstanden.“

Wie kreislauffähig und nachhaltig ist das Produkt wirklich?
Mogu: „In der ganz natürlichen Version sind unsere Mogu Acoustic-Paneele zu 100 Prozent biobasiert und zirkulär. Jedes einzelne Element kann regeneriert und für die Herstellung einer neuen Platte wiederverwendet werden. Um die Brandschutzanforderungen zu erfüllen, mussten wir allerdings eine nicht emissionsfreie Farbschicht auftragen, die unsere Akustikplatten feuerfest macht. Diese macht aber nur ein Prozent des Paneels aus. Und auch in diesem Fall können die Platten in einem Kreislaufverfahren entsorgt werden. Es genügt, die dünne Farbschicht vorher zu entfernen. Sobald die Forschung einen Weg gefunden hat, eine emissionsfreie Farbe herzustellen, wird diese sicherlich in unsere Produktionsprozesse aufgenommen werden. Wir verwenden keine weiteren Zusatzstoffe und setzen nur geringwertige Rückstände in unserem Produktionsprozess ein, um hochwertige Produkte mit möglichst geringer Umweltbelastung herzustellen. Unser Produkt ist noch so jung, dass wir die Kreislauffähigkeit noch nicht unter Beweis stellen konnten. Aber wir garantieren: Sie sind komplett biologisch abbaubar.“

Warum ist die Natur eine gute Architektin?
Mogu: „Unsere Akustikpaneele sind der beste Beweis dafür, dass die Natur viele Lösungen für uns hat – wir müssen nur lernen, sie zu nutzen. Wir schaffen mit unserem biobasierten Verbundstoff einen NRC-Wert von bis zu 0,6. Damit sind wir als ‚hochabsorbierend‘ eingestuft. Das funktioniert. Und zusätzlich haben wir einen natürlichen CO2-Speicher, der im Einklang mit dem Rhythmus des gesamten Ökosystems steht. Während seines Wachstums speichert das Pilzmyzel Kohlenstoff und hält diesen somit aus der Atmosphäre fern. Darüber hinaus ist das Myzel in der Lage, einen Teil des gespeicherten Kohlenstoffs in Kohlenhydrate aufzuspalten. So, dass diese Kohlenhydrate nach der Rückführung der Rohstoffe in den Boden als Nährstoffe dienen können.“

So sehen die Akustikpaneele aus Myzel von Mogu im Büro aus.
Quelle: mogu - Mogu Fields - Interiors

Über Mogu und die Mogu-Acoustic-Kollektion.

Mogu wurde 2015 gegründet, um Produkte aus Biomaterialien auf Pilzbasis zu vermarkten. Die nachhaltigen Akustikplatten bestehen aus einem Bioverbundwerkstoff auf der Basis von Myzel – dem vegetativen Teil von Pilzen. Die Mogu-Acoustic-Kollektion soll die Nachhallzeit von Schall verringern und dafür sorgen, dass sich der Schall gleichmäßiger ausbreitet. Sie umfasst mehrere Modelle (Wave, Fields, Kite, Plain, Foresta), die unterschiedliche Konfigurationen ermöglichen. In Bezug auf die Schallabsorption gibt es nur geringe Unterschiede zwischen den Serien. Im Wesentlichen unterscheiden sich diese vor allem in der Ästhetik.

Die Paneele können mit verschiedenen Montagesystemen geliefert werden: Klebe-, Schraub- oder Magnetbefestigung. Alternativ können auch Standard-Deckenprofile als Unterkonstruktion verwendet werden. Außerdem gibt es für Forest ein Holzsystem auf Basis von Knoten, Ästen und Dübeln. Auch die Farben sind von der Natur inspiriert: Die Töne von Wasser, Wald, Erde und Sand waren die Grundlage für unsere einzigartige Farbpalette. Eingesetzt werden kann die Mogu-Acoustic-Kollektion laut dem Unternehmen in öffentlichen Büros, Bars, Restaurants und im Einzelhandel sowie in Wohnungen und Apartments.

Website von Mogu