Jürgen Utz ist Leiter Nachhaltigkeit bei der LIST AG.
Quelle: LIST Gruppe

Vergessen wir nicht die Biodiversität! Ein Kommentar von Jürgen Utz.

CO2 reduzieren, CO2 reduzieren und nochmals CO2 reduzieren – das scheint derzeit das Credo der Immobilienbranche in Sachen Lösungen für den Klimawandel zu sein. Dabei wird derzeit vor allem ein Aspekt massiv unterschätzt: die Biodiversität. Das meint Jürgen Utz, Biologe, Architekt und unser Leiter für Nachhaltigkeit.

Der Fokus unserer Branche liegt aktuell auf der Reduktion von Treibhausgasemissionen. Denn ein seit Jahrzehnten lahmender Strukturwandel hat uns sehr dicht an eine äußerst kritische Schwelle der CO2e-Konzentration (= CO2-Äquivalente) geführt. Deren Überschreiten würde unser Leben sehr deutlich spürbar ins Negative verändern. Unnötigerweise, denn es gibt Lösungen, allein die Umsetzung fehlt. Wir alle wissen, dass man selbst bequem ist und eine herausfordernde Aufgabe hinauszögert bis zu dem Punkt, wo es heißt: Jetzt oder nie! Und genau da stehen wir.

Ehrlicherweise greift das aber zu kurz und birgt die Gefahr, einen Teilerfolg zu feiern, der andere Probleme ausblendet. Allen voran: der Biodiversitätsverlust. Laut Wissenschaft ist das Artensterben bis zu 1.000-mal höher, als die Evolution vorsieht, und zeitgleich schrumpfen viele Populationsgrößen. Mir wird da extrem mulmig! 

Denn wir sprechen hier vom Netz des Lebens, in das wir unauflösbar eingebettet sind – ob wir wollen oder nicht. Von Ökosystemleistungen als Fundament der Globalwirtschaft, den Filterleistungen für Wasser und Luft, dem Genpool für Forschung, unserer Nahrungsmittelversorgung, der Natur als Erholungsraum bis hin zur Tatsache, dass intakte Ökosysteme die besten Helfer gegen die Klimakrise sind. Wir reden schlicht von der Basis unserer Existenz als „just big mammals“.

Mein Biologiestudium hat mir eine Faszination für die Genialität der Natur und tiefe Demut mitgegeben. Dabei kennen wir noch nicht mal annähernd alle Arten und deren Bedeutung. Ich glaube daher, ein gesunder Respekt vor unserem Nichtwissen wäre schlau, um nicht aus Versehen eine Kaskade an Ökosystemverlusten auszulösen.

Die Regeln der Biologie sind nicht verhandelbar. Wollen wir ein annähernd gutes Leben führen und die Klimakrise bewältigen, müssen wir CO2e-Emissionen und Biodiversität zugleich adressieren. Immer mehr Menschen wissen um all dies, sind ungeduldig, unruhig, haben Ängste und suchen Lösungen. Ich bin einer davon. Vielleicht ist das der Moment, um zu beweisen, dass wir mit Vernunft, Kooperation und Mut den nun notwendigen Kraftakt bewältigt bekommen.

 

Jürgen Utz ist Leiter Nachhaltigkeit bei der LIST AG.
Quelle: LIST Gruppe

Über Jürgen.

Der studierte Biologe und Architekt Jürgen Utz befasst sich seit fast 15 Jahren mit Themen rund um Nachhaltigkeit und Klimawandel. Damit vereint er Wissen aus zwei Disziplinen und verfügt so über fachübergreifende Expertise. Diese ganzheitliche Perspektive zu nachhaltigen Themen bringt er als Leiter Nachhaltigkeit bei der LIST Gruppe ein, um bestehende Prozesse zu hinterfragen und das Immobiliengeschäft neu zu denken. Vor seiner Tätigkeit bei LIST baute er die DGNB Akademie als Leiter erfolgreich weiter aus, die Fort- und Weiterbildungen zu allen Themen der Nachhaltigkeit im Bau- und Immobilienbereich bietet. Er selbst sieht sich als Experte für den disziplinübergreifenden Ansatz, also Themen zusammenzubringen, den Überblick über Schnittstellen und Synergien zu haben und andere Experten miteinander zu vernetzen.