Quelle: a|w|sobott, André Sobott

Bestandsbau mit Schokoladenseite. Eine alte Süßwarenfabrik wird zum Selfstorage-Lager.

Kürzlich hat das Selfstorage-Lagerhaus eröffnet, das LIST BiB für ERATEX in Herford revitalisiert hat. In der alten Schokoladenfabrik an der Waltgeristraße wurde früher braunes Kakaogold hergestellt. Ab jetzt lagern dort andere Schätze.

Bis vor 28 Jahren wurde in der Waltgeristraße 62 Schokolade hergestellt. Auf mehr als 2.500 qm Nutzfläche produzierte das Traditionsunternehmen Gieselmann & Wille für Kunden wie ALDI, EDEKA oder Hussel. 1989 wurde der Herforder Schokoladenhersteller vom Zwiebackriesen Brandt übernommen. Doch schon zwei Jahre später standen in der Fabrik alle Maschinen still.

In der Zeit nach der Schließung stand das Gebäude leer, zwischenzeitlich wurde es als Abstelllager genutzt. Nach Schließung, Leerstand und Vernachlässigung war das Gebäude zu einem geschichtsträchtigen Überrest verkommen.

Für jeden Geschmack etwas dabei.

Im Mai 2019 eröffnet die ERATEX Gustav Ernstmeier GmbH & Co. KG ein Lager in den früheren Produktionsstätten. ERATEX ist ein sogenannter Selfstorage-Anbieter: Gewerbe- und Privatmieter können bei ihm Lagerflächen mieten. Die Größen der gemieteten Flächen variiert – der größte einzelne Lagerraum bemisst 20 qm, die kleinste Lagerfläche ist nur einen Quadratmeter groß. Damit die Industrieruine wieder zukunftsfähig werden konnte, musste einiges passieren:
 

Zustand: Zartbitter

Mit dem Baustart im September 2018 endete die Ruhepause für die Fabrik und Auftraggeber ERATEX und LIST BiB Bielefeld packten richtig an: Nach der Entfernung der alten Maschinen wurde der Innenraum entkernt. Marode Zwischenwände, schimmelnde Böden, bröckelnder Putz, die alten Lüftungs-, Sanitär- und Heizanlagen, kaputte Fenster – alles bis auf die Grundsubstanz wurde zurückgebaut. Unser Bauleiter Yavuz Kas blickt zurück: „Das Gebäude war eine ziemliche Ruine.“

Gerade die Gebäudesubstanz machte sichtbar, wo die Herausforderungen des Bauens im Bestand liegen. „Wie bei anderen Bestandprojekten auch, war beim Projekt in Herford die Statik eine riesige Herausforderung. Die Dächer der Produktionshallen sind beispielsweise noch mit Hohlziegeln gebaut worden – so etwas ist heute unüblich. Durch diese Bauweise wurde die Erneuerung der Dämmung eine statisches Kunststück“, erklärt Yavuz Kas.

Hinter jeder Wand eine Überraschung

Doch neben den handwerklichen Ansprüchen bot die Arbeit an der alten Schokoladenfabrik auch kuriose Zwischenfälle. Bei Baggerarbeiten auf dem Gelände stießen unsere Bauleiter auf die erste Überraschung: Beim Einreißen einer Wand stürzte ein versteckter Kellerraum ein. Der Raum hatte keine Tür, keine Fenster und ist auf keinem Plan verzeichnet.

Für Yavuz Kas war das nicht eingeplant, aber auch nichts Neues: „Bei Bestandsprojekten kommen solche Dinge praktisch jedes Mal vor. Versteckte Räume, unvollständige Pläne oder eine Wand hinter einer Wand machen das Bauen im Bestand eben zu etwas Besonderem“, erläutert er. „Bestandsgebäude sind nur mit viel Koordinierungs- und Begleitungsaufwand zu revitalisieren. Deshalb hilft uns hier die Erfahrung, die wir bei anderen Bestandsprojekten gesammelt haben.“

Fliegender Wechsel

Ungewöhnlich war auch der fließende Übergang zum Innenausbau des Gebäudes. Normalerweise sind die Revitalisierungsarbeiten schon abgeschlossen, bis der Auftraggeber mit den Arbeiten im Innenraum beginnt. Doch dieses Mal fing ein Unternehmen aus den Niederlanden bereits mit dem Bau der Mietboxen an, während die Arbeit an der Gebäudehülle noch lief. „Durch den parallelen Innenausbau durch Fremdgewerke waren hier praktisch zwei Baustellen zeitgleich zu koordinieren. Dennoch konnte bei dem Projekt so viel Zeit gespart werden.“

Neuer Inhalt in neuer Verpackung

Nach acht Monaten Bauzeit ist die Schokoladenfabrik nicht mehr wiederzuerkennen: Böden, Wände, Fenster sind erneuert, ersetzt oder ergänzt. Zusammen mit den LIST Ingenieuren entwickelten Auftraggeber und Generalunternehmen ein komplettes TGA-Konzept für das Gebäude. Damit gibt es nach dekadenlangem Leerstand wieder Licht, Heizung, Sanitäranlagen und Strom in den Hallen. Auch zwei neue Lastenaufzüge wurden für die neue Lagernutzung errichtet. Und rundum wurden alle Außenwände neu vermauert und verputzt.

Ein Charaktermerkmal ist jedoch geblieben: Die alte Klinkerfassade zur Straße wurde beibehalten. Damit bewahrt das neue Selfstorage-Lager ein Stück seines Charakters und zeigt auch den neuen Mietern seine Schokoladenseite.

Quelle: a|w|sobott, André Sobott

Das Projekt im Überblick

Projekt: Selfstorage-Lagerhaus in Herford
Auftraggeber: ERATEX Gustav Ernstmeier GmbH & Co. KG
Realisierung: LIST BiB Bielefeld GmbH & Co. KG
Ausführungsplanung TGA: LIST Ingenieure GmbH & Co. KG
Fertigstellung: Mai 2019
Bruttogrundfläche: 3.470 qm
Nettoraumfläche: 3.150 qm
Nutzungsfläche: 2.660 qm


Oliver Jackl, Geschäftsführer der Gustav Ernstmeier GmbH & Co. KG

"Die gute Projektleitung vor Ort hat es ermöglicht, dass wir auch mit Nachfolgegewerken, also dem Einbau der Selfstorage-Boxen, schon vor Übergabe des umgebauten Gebäudes starten konnten und damit den Zeitplan beschleunigt haben."


Yavuz Kas, Bauleiter bei LIST BiB Bielefeld

"Die alte Schokoladenfabrik in Herford war ein spannendes Projekt und eine schöne Baustelle. Wie bei allen Bestandsprojekten haben uns einige Überraschungen erwartet, die wir aber ohne Terminprobleme bewältige konnten. Am Ende steht ein Gebäude, das seinen Charakter nicht verloren hat, aber für seine zweite Chance gerüstet ist: Mit einer sanierten Hülle, einem neuen Innenleben und einem komplett überarbeiteten TGA-Konzept. Bei letzterem konnten wir auf die Unterstützung unserer Kollegen bei LIST Ingenieure zurückgreifen."