Quelle: a|w|sobott, André Sobott

Mit schnellen Schritten – auf Tour mit einem DPD-Paketzusteller.

Schon ab 05:30 Uhr morgens herrscht im Paketsortierzentrum von DPD in Hamm reges Treiben. Auch Jan Schmitz ist schwer mit dem Beladen seines Wagens beschäftigt.

Ein Vorort von Hamm in Nordrhein-Westfalen. In der frühmorgendlichen Dunkelheit sieht man schon von Weitem die hell erleuchteten Hallen. Innen sind das gleichtönige Rattern der Förderbänder und die Stimmen der Mitarbeiter zu hören. Es herrscht Hochbetrieb. In der Mitte der etwa 500 Meter langen Halle rollen Pakete über Förderbänder wie Koffer bei der Gepäckausgabe im Flughafen. Die hochtechnologische Sortieranlage erstreckt sich über zwei Etagen und wird von dicken, roten Stahlträgern getragen. Auf dem Boden stapeln sich Pakete in allen Formen und Größen, dazwischen laufen Mitarbeiter hin und her.

Autoreifen, frische Lebensmittel, Schubkarren, unverpackte Kanus. Alles haben sie hier schon gesehen. „Sogar Weihnachtsbäume werden verschickt“, sagt Jan Schmitz. Der 35-Jährige trägt Brille, Sicherheitsschuhe und eine rot-schwarze Jacke mit dem DPD-Logo. An seiner Hüfte baumelt eine Tasche, in der ein Handscanner steckt. Jan Schmitz ist Paketzusteller. Für ihn beginnt die Arbeit, wenn andere auf den Bestell-Button im Internet klicken.

80.000 Pakete – jeden Tag.

Um 05:30 Uhr morgens läuft das Förderband an und Schmitz’ Schicht beginnt. Er ist einer von 200 Zustellern in dem Sortierzentrum in Hamm, die zunächst die Pakete sortieren, die sie wenige Stunden später ausliefern. Dienstags und mittwochs haben sie die meiste Arbeit, denn an den Wochenenden ist die Kauflaune im Internet am größten. Online genügt ein Klick, um Hemden, Smartphones, Bücher oder Möbel zu bestellen. Der Käufer lehnt sich bequem zurück und wartet auf seine Ware, nachdem er eine komplexe logistische Kette in Gang gesetzt hat. 

DPD eröffnete das neue Sortierzentrum in Hamm im September 2019, errichtet wurde es von LIST Bau Nordhorn. Der Gebäudekomplex besteht aus vier langen Hallen und ist bundesweit das größte DPD-Paketsortierzentrum. Auf 122.000 Quadratmetern werden täglich mehr als 80.000 Pakete ein- und ausgeliefert, mithilfe von etwa 7,5 Kilometer Förderbändern. Und DPD will das Zentrum noch vergrößern. In Zukunft sollen hier täglich 200.000 Pakete umgeschlagen werden. „Es ist ein hochdynamischer Prozess, der beginnt, sobald man etwas bestellt“, sagt Matthias Bauhus, Leiter der Abteilung für den Nahverkehr im DPD-Zentrum in Hamm. „Wie ganz viele Zahnräder, die ineinandergreifen.“

Die Route entsteht im Kopf.

Auf dem Förderband nähert sich das nächste Paket. Ein kurzer Blick auf den Adressaufkleber genügt. Schmitz weiß sofort, ob die Straße in seinem Gebiet liegt. Schützenstraße. Für die ist einer seiner Kollegen zuständig. Schmitz schiebt ihm das Paket zu. Der nächste Karton rollt heran, ein Expressversand. Die Ware muss vor zwölf Uhr ausgeliefert werden. Massener Straße. Sein eigener Zustellbezirk. Der Kunde hat frische Lebensmittel bestellt, wie das Label der Absenderfirma erkennen lässt. Schmitz zieht es vom Förderband, scannt den Aufkleber und legt das Paket auf einen der vielen Stapel auf dem Boden. Es ist wichtig, die Pakete direkt zu sortieren, damit er sie später in der richtigen Reihenfolge in den Wagen einladen kann. 

Schmitz kennt sich aus. Er hat seine Straßen, seine gesamte Route im Kopf. Und er weiß, welche komplexe Logistik und wie viel Arbeit dahinterstecken, damit eine Bestellung innerhalb von zwei oder drei Tagen ausgeliefert wird. Nach seiner Ausbildung als Fachlagerist fing er an, als Paketzusteller zu arbeiten. 16 Jahre ist das her. „Es ist eine sichere Branche, die boomt“, wie er sagt. Der Online-Handel wächst. Doch sein Ruf ist nicht der beste. In Medienberichten wird die Arbeit der Paketzusteller oft negativ dargestellt: schlecht bezahlt, enormer Druck, keine Absicherung. Eine Darstellung, die viel zu einseitig sei, sagt Schmitz. 

Er fühlt sich wohl in seinem Job, ist fest und in Vollzeit angestellt bei einem Unternehmen, das für DPD die Pakete ausliefert. Ja, klar, das frühe Aufstehen sei nicht schön. „Aber man ist viel unterwegs, immer an der frischen Luft.“ Es sei halt ein Fehler zu denken, jeder könne einfach so Pakete austragen, sagt Schmitz. „Natürlich dauert die Arbeit viel länger, wenn jemand ohne Erfahrung irgendwo eingesetzt wird“, davon ist er überzeugt. Und wer Schmitz einen Tag lang bei seiner Arbeit begleitet, versteht, was er damit meint.

Acht Uhr: In der Halle kehrt Ruhe ein.

Die ganze Nacht über sind Lastwagen aus allen Ecken Deutschlands in dem Sortierzentrum in Hamm eingetroffen. Sie haben Pakete angeliefert, die für Adressaten im weiten Umkreis bestimmt sind. Von Steinfurt im Norden bis zum Sauerland im Süden. Um fünf Uhr morgens beginnen dann die Förderbänder, die Pakete in das Innere der Halle zu transportieren. Anhand ihres Aufklebers wird ihr Barcode sofort gescannt, ihre Adresse automatisch gelesen und nach Postleitzahlen sortiert. Auf dem oberen Förderband fahren die Pakete anschließend quer durch die Halle. Ist eines für einen Kunden in der Kleinstadt Unna bestimmt, schiebt die Maschine das Paket automatisch auf die Rutsche mit der Nummer D154. So rutscht es eine Etage tiefer und landet auf dem Förderband von Schmitz und seinen Kollegen, die für den Bezirk zuständig sind. 

Draußen am Horizont hat die Sonne den Himmel bereits gelbrot gefärbt, als um kurz vor acht Uhr in der Sortierhalle plötzlich Ruhe einkehrt. Alle Pakete sind verteilt. Die Förderbänder werden angehalten. Vereinzelte Kartons werden noch richtig zugeordnet. Schmitz räumt die Pakete in seinen Lastwagen, der mit offener Rückseite direkt vor dem Hallentor parkt. Die Reihenfolge ist wichtig. Es kann immer auch mal vorkommen, dass er in zweiter Reihe parken muss, und dann muss jeder Karton griffbereit sein. Da bleibt ihm keine Zeit, lange zu suchen.

150 Pakete für 72 Kunden.

Schmitz überträgt schließlich noch die Daten von seinem Scangerät an den Server. Von einem Kollegen, der in der Mitte der Halle an einem Computer arbeitet, erhält er eine ausgedruckte Liste seiner Pakete. Letzter Abgleich, ob alle Kartons auch eingescannt wurden. 150 Pakete hat er an diesem Tag geladen, für 72 Kunden. Schmitz geht die Tour auf dem Scanner noch einmal durch und sortiert einige Adressen neu. Um kurz nach acht Uhr schließt er die Türen seines Wagens und fährt los.
 
Sein Bezirk liegt in der Innenstadt von Unna, 15 Kilometer vom Sortierzentrum entfernt. Seit fünf Jahren fährt Schmitz die Tour. Er kennt die meisten Kunden. Die erste Station ist der Bahnhof in Unna. Schmitz springt aus der Fahrerkabine, klettert hinten in den Wagen, stapelt fünf Pakete auf seiner Sackkarre und überquert mit schnellen Schritten die Straße. „Morgen“, ruft er freundlich, als er den Bahnhofskiosk betritt. Einmal scannen, eine Unterschrift, er überreicht ein Paket. „Schönen Tag noch.“ Und weiter geht es. 

„Guten Morgen“, scannen, Unterschrift und weiter.

Das zweite Paket bringt er in das Hotel gegenüber. „Guten Morgen“, scannen, Unterschrift, dann hinüber zum Rathaus. Mit dem Fahrstuhl in das erste Obergeschoss. Schmitz eilt zielstrebig einen schmalen Flur entlang, einmal rechts abbiegen. Vor Zimmer 120 bleibt er stehen, klopft an. „Morgen!“ Drei Pakete scannen. Unterschrift. Schmitz kennt nicht nur seine Kunden, die meisten von ihnen sogar mit Namen, sondern auch die Wege, Flure, die Postzimmer und Hintereingänge. Er weiß, bei wem er in Institutionen die Pakete abgeben muss und wo er Abkürzungen nehmen kann. Für den Rückweg durchs Rathaus dauert der Fahrstuhl zu lange. Schmitz klemmt sich die leere Sackkarre unter den Arm und läuft die Treppe hinab. 

Während er seinen Wagen zwei Straßen weiterfährt, piept der Scanner. Eine Mitteilung von einem Kunden, der im Internet die Erlaubnis erteilt hat, dass Schmitz sein Paket auch ohne Unterschrift abgeben darf. Die nächste Adresse ist eine Shisha-Bar. Hinter den großen Fensterscheiben ist alles dunkel, die Tür ist verschlossen. Schmitz klopft an, aber niemand kommt. Er füllt eine Postkarte aus. Es gibt keinen Briefkasten, also klemmt Schmitz die Karte in die Tür und nimmt die Pakete wieder mit. Es folgen eine Tierarztpraxis, ein Bürogebäude, ein Päckchen für die Postbank. Dann eilt er in eine Apotheke, scannen, Unterschrift, auf der anderen Seite durch die Tür weiter ins Ärztehaus. Ein Paket für den Zahnarzt. Scannen, Unterschrift und durch den Seitenausgang wieder raus.

Schritt für Schritt – bis zu 20 Kilometer.

Um zehn Uhr kurzer Blick auf sein Scangerät: An 26 Kunden hat er bereits 51 Pakete ausgeliefert. Schmitz hält keinen Augenblick inne, er braucht sich nicht zu orientieren. Nächste Station ist ein Altenheim, durch den Haupteingang, rechts abbiegen, den Flur entlang und noch einmal links abbiegen. Bei einem Einfamilienhaus soll er das Paket in der Garage hinterlassen. Am Krankenhaus hält er an der Schranke. „DPD, guten Morgen“, ruft er in die Sprechanlage, die Schranke geht hoch, er fährt bis zur Anlieferung. Dort holt er zwei blaue Rollwagen aus dem Eingangsbereich der Klinik, stapelt zehn Pakete darauf und rollt sie durch ein Labyrinth von Fluren zur Paketannahmestelle. „Moin.“ Scannen. Unterschrift. Pakete, die er nicht ausliefern konnte, hinterlässt er unterwegs im Paketshop.

Gegen zwölf Uhr ist sein Wagen leer. 150 Pakete sind ausgeliefert. Schmitz macht eine gute Stunde Mittagspause – bevor die zweite Tour folgt. Er liefert nicht nur aus, er holt anschließend auch Pakete und Päckchen von Unternehmen, Behörden oder Privatkunden ab. Kunden, die etwas nach Hamburg, Süddeutschland oder ins Ausland schicken wollen. So kommt Schmitz nachmittags wieder voll beladen ins Sortierzentrum zurück. Mit täglich etwa 120 bis 200 Paketen.

Wenn Schmitz gegen 15 Uhr dann Feierabend hat, beginnt im Sortierzentrum in Hamm die nächste Schicht. Am Nachmittag sortieren andere Mitarbeiter die Pakete für den Fernverkehr, damit sie über Nacht quer durch Deutschland gefahren und im Idealfall am nächsten Morgen in einem anderen Paketzentrum sortiert werden. Dann liefert ein Paketzusteller in Berlin, Frankfurt oder München sie aus. Schmitz fährt derweil nach Hause. Bewegung braucht er nicht mehr. „Es ist ein sportlicher Job“, sagt er und lacht. Einmal hat er sich bei der Arbeit einen Schrittzähler umgebunden. 15 bis 20 Kilometer läuft er am Tag. Zu Hause legt er sich erst einmal aufs Sofa.