Quelle: a|w|sobott, André Sobott

Im Interesse des Kunden – von Relevanz und Perspektivwechseln.

Wie viel Prozess und wie viel Lösung stecken in einer Immobilie? In unserem Arbeitsalltag geht es fast immer um Dinge wie Abläufe, Absprachen und Zeitpläne – da sind wir sofort beim Prozess. Aber dürfen wir eine Immobilie und ihre Entstehung darauf reduzieren? Oder noch provokativer gefragt: Wie viel Prozess darf überhaupt und wie viel Lösung muss in einer Immobilie stecken?

Alltäglicher Perspektivwechsel.

Wer einmal im Verkauf oder Vertrieb tätig war – ganz gleich in welcher Branche oder welchem Unternehmen –, kennt diese Fragestellung nur zu gut. Viele am Projekt Beteiligten haben eine andere Perspektive auf das Projekt als der potenzielle Kunde. Also muss übersetzt werden. Aber wann und wie? Auch der Arbeitsalltag von Michael Garstka, Geschäftsführer von LIST Develop Commercial, wird von dieser Fragestellung bestimmt. Er kommt gerade in den Raum, gibt mir die Hand und setzt sich mir gegenüber auf einen Stuhl. Ich habe ihn gebeten, mir einen Einblick in das Themenfeld zu geben. Warum? Weil er diese Dolmetscher-Arbeit und den Wechsel zwischen beiden Perspektiven jeden Tag ganz selbstverständlich aus dem Ärmel schüttelt und wir Außenstehenden kaum etwas bis gar nichts davon mitbekommen.

Zwischen den Stühlen.

So sitzen wir uns nun also Gegenüber. Er als unserer Experte und ich als Teil des Kommunikations-Teams, das sein Wissen in Texten wie diesem greifbar machen möchte. So viel zunächst zur Ausgangslage. Für Michael Garstka stellt sich die Frage nach der Balance zwischen Prozess und Lösung beinahe täglich. Er und sein Team sitzen genau zwischen den zwei Stühlen: „Auf der einen Seite müssen wir den Entwicklungs- und den Entstehungsprozess der Immobilie managen. Auf der anderen Seite müssen wir die Immobilie an den Käufer vermitteln.“ Ich nicke, aber frage mich, warum genau das überhaupt in Konkurrenz zueinander steht? Ich schlage vor, dass wir uns dem Ganzen über ein konkretes Beispiel nähern. Die Neutor Arkaden in Emden bieten sich an. Darüber habe ich schon so manche Zeilen zu Papier gebracht. Außerdem ist der Zeitpunkt passend: Der Entwicklungsprozess ist in großen Teilen abgeschlossen, LIST Bau Nordhorn bereitet als Generalunternehmen seine Arbeiten vor und in Sachen Verkauf stehen Michael Garstka und sein Team in den Startlöchern.

Womit fangen wir also an und über welche Themen spricht man in so einer Verhandlung überhaupt? Michael Garstka zieht die Schultern hoch: „Das kann ich dir pauschal nicht beantworten. Es kommt in jedem Fall nie so wie man es geplant hat. Das kann ich dir versprechen“, sein Schmunzeln könnte mir schon jetzt verraten, dass dieses Gespräch etwas anders als sonst üblich verlaufen wird. „Dazu ein anderes Beispiel. Vor wenigen Tagen habe ich mich mit einem Interessenten getroffen. Er wollte gleich als erstes von mir wissen, ob wir das Projekt überhaupt auf die Straße bekommen. Provokativ, aber nachvollziehbar. Und die Frage gebe ich doch direkt mal unkommentiert weiter“, er schaut mich an und dreht den Spieß um. „Wenn wir schon Perspektivwechsel zum Thema machen, dann auch richtig.“ Eigentlich stelle doch ich hier die Fragen. Aber na gut, mein Ehrgeiz ist gepackt.

Wen interessierts?

Ich richte mich auf und stelle mir vor ich wäre ein Verkäufer: Selbstverständlich bekommen wir das hin. Was für eine Frage. Genau dafür haben wir doch alle Kapazitäten, die es für die Entstehung einer Immobilie braucht, in unserer Gruppe gebündelt. Unsere Projektentwickler müssen nicht verzweifelt nach Planern oder Generalunternehmen suchen. Nein, sie können auf unsere eigenen Experten zurückgreifen. Selbstverständlich sind auch die Auftragsbücher von LIST Ingenieure, LIST Bau Nordhorn und LIST Bau Rhein-Main, die in diesem konkreten Fall an der Umsetzung beteiligt sind, voll. Der Unterschied aber ist, dass das Emder Projekt schon lange Teil dieser Planung ist. Außerdem ziehen wir alle an einem Strang. Wir haben gemeinsame Gruppenziele, die uns antreiben. Das fördert die reibungslose Zusammenarbeit und macht es uns möglich, immer das bestmögliche Gesamtergebnis im Auge zu behalten. Ich komme richtig in Fahrt und bringe noch einen Gedankenblitz unter, bevor ich mich selbstbewusst lächelnd zurücklehne: LIST Invest hat vor kurzem außerdem einen Crowdinvesting-Deal für das Projekt mit Zinsland klargemacht. Unter anderem wir Mitarbeiter hatten somit die Möglichkeit, in die Zwischenfinanzierung zu investieren. Das hat uns zu waschechten Investoren gemacht. Zeitgleich sind wir selbst für den Erfolg des Projektes verantwortlich. Das trifft sich doch gut.

Michael Garstka blickt ernst drein: „Wenn du so sehr an dem Vorhaben hängst, dann kann LIST es doch besser im eigenen Bestand behalten, oder?“ Okay, den Eindruck mag ich fälschlicherweise vermittelt haben. Neuer Versuch: Emden ist natürlich kein Einzelfall. Gerade die Vorhaben aus unserer eigenen Projektentwicklung profitieren sehr häufig von den Expertenteams aus unserer Gruppe. Würden wir Emden im Bestand behalten wollen, müssten wir auch alle anderen Projekte im Bestand behalten. Und das entspricht nicht unserem Geschäftsmodell. Deshalb sitzen wir heute hier. „Und warum sollte ich dann ausgerechnet Emden kaufen?“, kommt es von Michael Garstkas Seite wie aus der Pistole geschossen. Gute Frage…

Die andere Seite.

Die Verunsicherung scheint mir ins Gesicht geschrieben. Der Projektentwickler löst das Rollenspiel auf: „So, jetzt hast du dein Praxisbeispiel, auf das wir eingehen können“, er grinst. „Das, was du gerade gemacht hast, liegt zwar auf der Hand, ist aber wenig erfolgsversprechend. Schön, dass du so überzeugt von unserem Projekt in Emden bist und dich gut mit den Prozessen auskennst, aber ich als dein Kunde fühle mich so nicht wirklich von dir angesprochen.“ Er betont, dass ich das nicht mit einer Maskerade verwechseln dürfe: „Wenn ich in einem Gespräch der Verkäufer bin, bin ich immer noch ich und spiele keine andere Rolle. Aber ich versuche mich in mein Gegenüber hineinzuversetzen. Ich orientiere mich bei meiner Argumentation ausschließlich an den für ihn relevanten Themen. Und weil er in Lösungen und nicht in Prozessen denkt, muss ich das auch tun.“

Das klingt sinnvoll. Aber was heißt das konkret? „Für Investoren sind Klarheit und Sicherheit zwei sehr wichtige Faktoren. Und da wir in sämtlichen Projekten zunächst einmal auch als Investor auftreten, kenne ich diese Sichtweise sehr gut. Momentan ist der Bau beispielsweise einer der entscheidenden Flaschenhälse. Deshalb wollte sich mein Gegenüber mit der Frage, die ich dir vorhin gestellt habe, absichern“, erklärt der Projektentwickler seine Interpretation. „Wann und wie wir unsere Partner für die Ausführung finden und wer persönlich dahinter steckt, ist für unsere Kunden schlicht nicht relevant. Maximal die Tatsache, dass uns unsere Schwester-Unternehmen dank eines engen Austauschs die für uns notwendigen Kapazitätsslots freihalten, ist in diesem Gespräch interessant.“

 

Die Fakten sprechen für sich.

Er schaut mich an und will überprüfen, ob ich seine Herangehensweise verstehe: „Also, meinst du, dass das Crowdinvesting ein Thema in unserem Gespräch war.“ Ich überlege. Spielt das wirklich eine Rolle? Eigentlich geht es euch Investoren ja nur darum, dass das Projekt wirtschaftlich auf sicheren Beinen steht. Wer wann wie viel Geld einbringt, ist unwichtig. Also, nein. Ich würde erwähnen, dass das Projekt finanziert ist. Mehr nicht. Und, dass die Klimaanlage sowohl in der Lage ist den Ansprüchen von B&B als auch von Bünting oder den Stadtwerken gerecht zu werden. Aber eben nicht, welche Anlage LIST Ingenieure aus welchem Grund ausgewählt hat. Nebenkosten. Effizienz. Flexibilität der Flächen. Das sind dann vermutlich die Themen, die ich platzieren sollte. Richtig? „Genau“, Michael Garstka nickt. „In unserem Geschäft spielt Vertrauen eine große Rolle, aber in Verkaufsprozessen müssen die Fakten auf den Tisch. Und zwar die Fakten, die im Zuge der Due Diligence im Ankaufsprozess im Detail geprüft werden und damit relevant sind. Also stelle ich mir immer wieder die Frage: Interessiert mein Gegenüber das wirklich oder halte ich den Vortrag gerade für mich selbst. Dabei habe ich eines immer im Hinterkopf: Der Weg ist zwar ein wichtiger Bestandteil des Projektes, aber viel mehr geht es um das Ziel!“ 

 

Zum Projekt

In Emden führt LIST Develop Commercial ein ehemaliges Kaufhallen-Areal nach Jahren des Leerstands und Verfalls einer neuen, zeitgemäßen Nutzung zu. Dort wo einst nur Handel betrieben wurde, entsteht im kommenden Jahr ein Quartier, das neben einer Handelsnutzung auch Hotel und Gewerbeflächen enthält.

An der Realisierung der Neutor Arkaden sind insgesamt fünf Gesellschaften unserer Unternehmensgruppe beteiligt. Als Projektentwickler ist LIST Develop Commercial federführend tätig. LIST Invest verantwortet die Zwischenfinanzierung, LIST Ingenieue plant und optimiert die Technische Gebäudeausrüstung, LIST Bau Nordhorn ist mit dem Schlüsselfertigbau beauftragt und erhalt dabei Unterstützung von unserem Hotel-Spezialisten LIST Bau Rhein-Main. LIST Digital und LIST Projektmanagement waren zum Startzeitpunkt des Projektes noch nicht gegründet. In weiteren Gemeinschaftsprojekten dieser Art – sowohl für die eigene Projektentwicklung als auch für andere Bauherren – wird aber auch ihre Kompetenz gefragt sein.

Quelle: a|w|sobott, André Sobott

Zur Person

Michael Garstka ist seit fünf Jahren Teil der LIST Gruppe. Als geschäftsführender Gesellschafter von LIST Develop Commercial ist er einer der Innovationstreiber unserer Unternehmensgruppe. Sein Fachgebiet: die Handels-, Hotel- und Quartiers-Landschaft. Wie entwickelt sich der Bedarf? Welche Nutzungen können sinnvoll miteinander verknüpft werden? Welche neuen Konzepte sind vielversprechend? Das sind die Fragen, mit denen er sich beschäftigt und auf die er seine ganz eigene Antwort parat hat.