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Nachhaltigkeit entfacht – Baustoffe von der Fassade bis in den Innenraum.

DGNB, BREEAM, BNB, QNG und EU-Taxonomie: Das Gemeinsame an diesen Nachhaltigkeitszertifizierungen sind die Kriterien, die sie erfüllen müssen. Aber wie können Hersteller nachweisen, dass ihre Produkte nachhaltig sind? Wir sind dieser Frage gemeinsam mit Sebastian Theißen, geschäftsführender Gesellschafter LIST Eco, und Ralf Kärger, Geschäftsführer des Sentinel Holding Instituts (SHI), auf den Grund gegangen.

Ein Schlüsselelement dieser Zertifizierungen ist die sorgfältige Auswahl von Materialien. Die Verwendung von schadstoffarmen Materialien wird gefördert und Hersteller müssen die Inhaltsstoffe und Emissionswerte ihrer Produkte offenlegen. Unabhängige Prüfungen und Zertifizierungen, wie die des Sentinel Holding Instituts, bewerten Materialien hinsichtlich ihrer Sicherheit und Umweltfreundlichkeit.

Was wird überprüft?

Ein wichtiger Aspekt ist die Überwachung der Emissionen und der Luftqualität. Nachhaltigkeitszertifikate legen strenge Grenzwerte für flüchtige organische Verbindungen (VOC), Formaldehyd und andere Schadstoffe fest. Nach Abschluss des Baus und während des Betriebs werden Luftqualitätsmessungen durchgeführt, um sicherzustellen, dass die Schadstoffkonzentrationen innerhalb sicherer Grenzen liegen. Dies gewährleistet eine hohe Innenraumluftqualität, die für das Wohlbefinden der Nutzer entscheidend ist.

Während der Bauphase setzen zertifizierte Gebäude auf strenge Schutzmaßnahmen zur Minimierung von Staub- und Schadstoffemissionen. Dazu gehören die Verwendung von Luftreinigungsgeräten und die Einhaltung von Sauberkeitsstandards. Effizientes Abfallmanagement und die Trennung von Baustoffen zur Wiederverwertung tragen ebenfalls zur Reduktion von Schadstoffen bei.

Die Innenraumgestaltung spielt eine weitere Schlüsselrolle bei den Zertifizierungskriterien. Materialien und Produkte, die in Innenräumen verwendet werden – zum Beispiel Möbel, Bodenbeläge, Klebstoffe, Farben und Lacke, müssen strenge Emissionsstandards erfüllen. Dies minimiert die Freisetzung von Schadstoffen und sorgt für ein gesundes Raumklima. Zudem wird auf die Vermeidung von Produkten geachtet, die schädliche Chemikalien wie Flammschutzmittel, Pestizide oder Biozide enthalten.

Alle Daten an einem Ort.

Genau dafür gibt es die Datenbank für nachhaltige und schadstoffgeprüfte Bauprodukte des SHI – aktuell die größte in Europa. Sie dient als nützliches Instrument für Entwickler:innen und Planer:innen, indem die SHI-Datenbank eine rechtssichere Dokumentation und eine Grundlage bietet, um Baumaterialien zu finden, die den Kriterien der Nachhaltigkeitszertifizierungen – wie z. B. des Qualitätssiegels Nachhaltiges Gebäude (QNG) und der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) – entsprechen.

Im Gegensatz zu vielen anderen Datenbanken wird diese nicht von den Herstellern selbst gepflegt, sondern die Bauprodukte werden von unabhängigen Fachleuten des SHI geprüft und bewertet. Die SHI-Datenbank wird regelmäßig daraufhin geprüft, ob die Werte und Angaben noch stimmen, und gegebenenfalls aktualisiert. Sofern Hersteller dem SHI keine aktuellen oder vollständigen Nachweise zur Verfügung stellen, kann es vorkommen, dass Produkte aus der Datenbank entfernt werden. Zudem kontrollieren alle sechs Monate Expert:innen des SGS-TÜV Saar die Prozesse der Produktbewertung.

Die Plattform verweist auch auf andere Nachweise wie beispielsweise den Blauen Engel und bietet ein Archiv, in dem nur die aktuellen, geprüften Produkte aufgeführt sind. Dies stellt sicher, dass Entwickler:innen und Planer:innen stets auf die neuesten und verlässlichsten Informationen zugreifen können.

Wir reden beim Thema Nachhaltigkeit viel über Emissionen beziehungsweise Emissionen sind das Erste, woran Leute denken, aber es geht weit darüber hinaus. Ihr legt auch großen Wert auf die Risiken und Schadstoffe?

S. T.: „Gefährliche und toxische Stoffe in Baumaterialien beeinträchtigen die Luftqualität in Innenräumen beziehungsweise die Umwelt und haben somit einen großen Einfluss auf die menschliche Gesundheit, da wir rund 90 Prozent unseres Lebens in Gebäuden verbringen.“

R. K.: „Gesundheit ist ein wesentlicher Bestandteil der Nachhaltigkeit und stellt das wichtigste Gut des Menschen dar. Häufig wird dieser Aspekt aber bei der Gebäudeplanung vernachlässigt. Wir haben in den letzten 16 Jahren eine umfassende Expertise in der Baustoffprüfung entwickelt. Durch die strengen und transparenten Kriterien, die wir erarbeitet haben, gewährleisten wir die Bewertung von Baustoffen hinsichtlich ihrer langfristigen Schadstoffemissionen, die sich auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden auswirken können.“

Welche Daten erhebt ihr für das Siegel „geprüft nachhaltiges Produkt“? Welche Bedeutung hat ein solches Siegel in der Praxis oder für Beratende und/oder Planer:innen?

S. T.: „Siegel und Labels sind wichtig, vor allem als DIN EN 15804 Typ III Deklaration. Diese unterliegen einer gewissen Unabhängigkeit, vereinfacht gesagt. Dennoch ist die Anzahl an Labels sehr groß. Das liegt auch daran, dass es so vielfältige Bauproduktarten gibt. Daher helfen die Labels aus meiner Erfahrung nicht automatisch allen gleichermaßen weiter. Eine Zusammenführung der relevanten Anforderungen und Produkteigenschaften in einem digitalen Material- beziehungsweise Produktpass ist daher sicherlich der richtige Weg. Während auf EU-Ebene dazu gerade viel über den ‚digital productpassport‘ passiert, sehen wir vereinzelt schon Aktivitäten wie in Dänemark über den ‚digital construction material passport‘ (DCMP) oder eben in Deutschland über den SHI-Produktpass. Ein Pass, der alle Abgleiche zu relevanten europäischen, nationalen und zertifizierungsrelevanten Anforderungen beinhaltet, ist daher aus meiner Sicht zielführend für die Praxis.“

R. K.: „Für das SHI-Qualitätssiegel prüfen wir die TVOC (Total Volatile Organic Compounds, gesamtflüchtige organische Verbindungen) der Baustoffe und orientieren uns dabei an den strengen Vorgaben des Umweltbundesamtes. Dadurch wird sichergestellt, dass Gebäudenutzer stets eine gute Innenraumluft vorfinden. Planer:innen agieren auf der rechtssicheren Seite, da sie die vorgeschriebenen Raumluftgrenzwerte einhalten. Investoren und Eigentümer profitieren langfristig von einer Wertsteigerung ihrer Immobilien.“

Welche Produkte werden von euch ausgezeichnet?

R. K.: „Das SHI bewertet alle Baustoffe, die für ein Bauprojekt benötigt werden. Die Baumaterialien sind einfach in der SHI-Datenbank zu finden. Der SHI-Produktpass erweitert die SHI-Datenbank um ein starkes digitales Nachweisdokument für effiziente Materialrecherchen und die Dokumentation von Produktqualitäten im Rahmen relevanter Gebäudezertifizierungen. Ausführende Unternehmen, Verarbeiter:innen, Architekt:innen, Planer:innen und Auditor:innen erhalten schnellen Zugriff auf verifizierte und aktuelle Produktinformationen. Der SHI-Produktpass ist inhaltlich so aufbereitet, dass er als gültiges Nachweisdokument direkt bei den Zertifizierungsstellen eingereicht werden kann. Wertvolle Personalkapazitäten lassen sich so kosteneffizient einsetzen. Übrigens: Die SHI-Datenbank ist die einzige fremdüberwachte und auditierte Bauproduktdatenbank auf dem Markt. Sie zeichnet sich aus durch eine sehr hohe Datenqualität und dadurch, dass rund 98 Prozent der Daten stets aktuell sind. Expert:innen des SGS-TÜV Saar kontrollieren alle sechs Monate unsere Prozesse zur Produktbewertung.“

Viel Zeit und viel Arbeit steckt hinter so einer Datenerhebung, warum reichen die vorhandenen nicht? Warum braucht es diese Daten?

S. T.: „Das Vermitteln dieses Themas und der Anforderungen, das Erklären zur Vorgehensweise inklusive Abstimmung sowie die Prüfungen und Nachweisführungen sind so ziemlich der aufwendigste Part in Zertifizierungssystemen oder auch der EU-Taxonomie. Hier geht viel Zeit drauf für Info- und Datenbeschaffung. Ich sehe hier durch vorbewertete und unabhängig geprüfte Bauproduktinformationen, die digital zur Verfügung stehen, eine große Erleichterung für alle: für die Hersteller und bauausführenden Unternehmen genauso wie für die Planer:innen und Nachhaltigkeitsberater:innen und letztendlich für den Endkunden als Entwickler, Betreiber und Nutzer.“

R. K.: „Weil Zertifizierungspartner spezifische Daten und Nachweise benötigen, enthält der SHI-Produktpass genau die Angaben, die von den jeweiligen Gebäudezertifizierungen gefordert werden. Die DGNB erkennt die SHI-Datenbank als Referenz für ihr Kriterium ‚ENV1.2 Risiken für die lokale Umwelt‘ an. Entsprechende Nachweise sind im SHI-Produktpass ebenso integriert wie die gesundheitlichen Anforderungen des staatlichen Qualitätssiegels Nachhaltige Gebäude (QNG, Anhangdokument 3.1.3). Ebenfalls enthalten ist die SHI-Produktbewertung für schadstoffgeprüfte Produkte. Daneben sind auch Nachweise für die Konformität mit der EU-Taxonomie, BREEAM (HEA 02 Qualität der Innenraumluft) sowie für das Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB) verfügbar. Aufgeführt sind zudem alle für das Produkt vom Hersteller eingestellten Produktsiegel, Datenblätter und die Umweltproduktdeklaration EPD.“

Ihr seid auch von der DGNB anerkannt. Wie genau sieht diese Kooperation aus und was sind die Vorteile?

S. T.: „Der Navigator war leider bisher ein zahnloser Tiger, wie man so schön sagt. Produktinfos waren nicht aktuell und zu manchen Produkten gar nicht vorhanden. Aus meiner Sicht war aber das Hauptproblem: Es war nicht klar, wer die unabhängige Prüfung und deren Aktualisierung vornimmt.“

R. K.: „Die DGNB erkennt die SHI-Datenbank bereits als vertrauenswürdige Quelle an. Neu ist, dass die SHI-Produktbewertungen durch eine Schnittstelle auch Bestandteil des DGNB-Navigators sind. Dies bedeutet, alle in der SHI-Datenbank dauerhaft geprüften Bauprodukte sind im DGNB-Navigator als ‚SHI-geprüft‘ gekennzeichnet und laufen ohne weitere Prüfung durch den DGNB-Zertifizierungsprozess. Die Präsenz in zwei umfangreichen Datenbanken bietet Herstellern mehr Reichweite und erhöhte Sichtbarkeit. Die Datenbanken bieten gesicherte, aktuelle und dauerhaft geprüfte Nachweisdokumente, die einfach zu pflegen sind. Auditor:innen, Architekt:innen und Planer:innen profitiere von einer erheblichen Zeitersparnis und Planungssicherheit durch verlässliche und aktuelle Daten. Eine einfache Übersicht der Nachweisdokumente erleichtert die DGNB-Zertifizierung. Der Zugang zu einer größeren Anzahl zertifizierter Bauprodukte erweitert die Auswahlmöglichkeiten und gewährleistet Qualitätssicherung. Klare Informationen bieten Transparenz für Bauherren und Projektbeteiligte.“

Wie sieht eure Zusammenarbeitet aus? Warum arbeitet ihr zusammen?

S. T.: „Die Prüfung von gefährlichen und toxischen Stoffen erfordert oft mehr chemisches Wissen, als Beratende, Planende und Ausführende üblicherweise besitzen. Zudem ist der aktuelle Prozess sehr manuell und kostet uns viel Zeit und Aufwand. Wir greifen daher auf die Expertise und die Datenbank des Sentinel Holding Instituts zurück, um sicherzustellen, dass die von uns verwendeten Baustoffe und Materialien diesen Anforderungen entsprechen und keine negativen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben. Gleichzeitig können wir dadurch den Prozess und die Kommunikation mit Bauausführenden und Herstellern vereinfachen. Das entlastet alle Stakeholder und ermöglicht allen einen einfacheren Bearbeitungsprozess.“

R. K.: „Wir wissen auch, dass die Überprüfung chemischer Substanzen häufig mehr Fachkenntnisse erfordert, als bei Beratenden, Planer:innen und Ausführenden normalerweise vorhanden sind. Wir stellen sicher, dass stets die neuesten Kriterien eingehalten und diese durch entsprechende Nachweise dokumentiert werden – gemäß dem Leitsatz des Sentinel Holding Instituts: ‚Gemeinsam für nachhaltige und schadstoffgeprüfte Arbeits- und Lebensräume.‘ Und mit LIST Eco haben wir die Nutzer unserer Datenbank direkt an der Hand und können uns auf kurzem Dienstweg austauschen. Und wir wissen, wir haben dasselbe Ziel: Die verwendeten Baustoffe und Materialien sollen den Nachhaltigkeitsanforderungen entsprechen und keine negativen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben.“

Welchen Unterschied macht ihr für die Branche?

S. T.: „Das Thema der Schadstoffprüfungen ist komplex und aufwendig. Die Anreize sind leider oft eher gering, vor allem wenn man nachher nicht selbst der Immobiliennutzer ist. Oder auch wenn seitens der Hersteller nicht klar ist, wo sie bei den vielen Standards und Aktivitäten ihre Daten zentral bereitstellen sollen. Wir versuchen zusammen erst einmal mehr Aufklärung zu betreiben und auch einen Lösungsansatz zusammen zu liefern. Denn allein können wir hier in der großen Kette an beteiligten Stakeholdern nur bedingt etwas bewegen.“

Indem alle vorgeprüften Produkte bereitstehen, wird die Branche aus meiner Sicht entlastet. Hersteller wissen, wo und wie sie ihre Daten bereitstellen sollen. Bauausführende und Planende können selbst Produktalternativen finden und die benötigten Nachweise den Nachhaltigkeitsberater:innen beziehungsweise Zertifizierer:innen bereitstellen. Diese haben damit eine einfachere Möglichkeit, eine Prüfung und Dokumentation durchzuführen und diese bei der Zertifizierungsstelle einzureichen. Hoffentlich dann bald intelligenter über produktspezifische Gebäuderessourcenpässe. Der erste Schritt mit der nötigen Infrastruktur über standardisierte, digitale Material- und Produktpässe wird bald erfolgt sein.“

R. K.: „Wir machen einen entscheidenden Unterschied für die Bau- und Immobilienbranche, indem wir eine verlässliche digitale Lösung für die Materialrecherche und nachhaltige Gebäudezertifizierungen bieten. Die SHI-Datenbank ist die umfassendste Plattform für nachhaltige und schadstoffgeprüfte Produkte und bietet Zugriff auf circa 3.000 emissionsgeprüfte Produkte. Unsere Vision ist es, Nachhaltigkeit und Schadstoffprüfung bezahlbar und machbar zu machen. Wir möchten Gebäudequalitäten transparent gestalten und Nachhaltigkeit effektiver im Netzwerk umsetzen. Deshalb bieten wir die größte Datenbank für nachhaltige und schadstoffgeprüfte Produkte. Damit erfüllen wir produktbezogene Zertifizierungsanforderungen und Förderprogramme wie DGNB, QNG, EU-Taxonomie, BREEAM und BNB. Unsere Unterstützung umfasst die Projektbegleitung von der Planung bis zur Zertifizierung sowie transparente Zertifizierungen von Produkten, Gebäuden und Unternehmen. Darüber hinaus bieten wir Marketingunterstützung für eine rechtssichere und glaubwürdige Kommunikation. Die Nutzer unserer Datenbank können sich darauf verlassen, dass neue Anforderungen wie der Gebäuderessourcenpass (GRP) oder Kreislaufbewertungen zeitnah in die SHI-Datenbank und den SHI-Produktpass aufgenommen werden.“

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LIST Eco und das SHI.

Zukunftsfähiges und nachhaltiges Bauen beginnt schon mit der Wahl der richtigen Baumaterialien. Der rechtliche Rahmen wird immer enger gesteckt und die Anforderungen an Materialien und ihre Inhaltsstoffe steigen. Transparenz gewinnt an Wichtigkeit. Die SHI-Datenbank verschafft allen am Bauprozess Beteiligten Klarheit, was wirklich drin ist. Bauen wird schadstoffärmer, effizienter und nachhaltiger.

Mehr zur Kooperation

Über das SHI.

Das Sentinel Holding Institut (SHI) wurde 2008 gegründet und entstand aus einem Forschungsprojekt der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Das SHI setzt sich für messbares, nachhaltiges und schadstoffgeprüftes Bauen ein und bietet mit der SHI-Datenbank eine zentrale Plattform für alle am Bau Beteiligten.

Die SHI-Datenbank bietet höchste Datenqualität für circa 3.000 emissionsgeprüfte Produkte und deren Nachhaltigkeitseigenschaften. Sie ist die einzige fremdüberwachte und auditierte Bauproduktdatenbank, die regelmäßig von SGS-TÜV Saar überprüft wird.

Ein herausragender Bestandteil der SHI-Datenbank ist der SHI-Produktpass, ein zentrales digitales Nachweisdokument zur effizienten Materialrecherche und Dokumentation von Produktqualitäten für Gebäudezertifizierungen. Zusätzlich arbeitet das SHI daran, Schnittstellen für Kooperationspartner zur SHI-Datenbank zu schaffen, die erste davon ist zum DGNB Navigator eingerichtet.