Quelle: LIST Gruppe

Geht da noch mehr? Einblicke in die Zukunft von Logistikimmobilien auf der BUILDINX 2024

„Das haben wir schon immer so gemacht“ - Dass sich diese oder ganz ähnliche Herangehensweisen in der Entwicklung, Planung und Realisierung von Logistikimmobilien längst überholt haben, war schon vor der BUILDINX 2024 bekannt. Trotzdem haben die drei Tage in Dortmund einmal mehr deutlich gemacht: Die Branche muss sich etwas Neues überlegen – und hat reichlich Gelegenheit dazu.

Unser Input: Jannick Höper zu Logistikimmobilien in der Kommunalen Wärmeplanung

Steckt in Logistikhallen mehr als die Stärkung von Transportwegen? Gemeinsam mit FIEGE Real Estate und Siemens will es LIST Eco mit seinem geschäftsführenden Gesellschafter Jannick Höper genau wissen. Ihre Studie „Logistikimmobilien als Energielieferant?“ soll erste Antworten geben.  „Die Idee hinter der Studie war, Logistikimmobilien nicht nur als klassisches Gebäude zu denken. Sie bieten aufgrund ihrer großen Flächen und Lage in vielen Regionen ein bislang wenig genutztes Potenzial, um sowohl Strom als auch Wärme für umliegende Kommunen bereitzustellen“, erklärte Höper.  Durch die Integration dieser Immobilien in kommunale Energiestrukturen könnten CO₂-Emissionen reduziert sowie die Energieunabhängigkeit und Versorgungssicherheit gestärkt werden. Die Verknüpfung mit der kommunalen Wärmeplanung (KWP) sei mit Blick auf die geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen eine logische Ableitung.

Und die ersten Erkenntnisse sind vielversprechend. In Dortmund gab Höper einen Überblick, warum wir die Rolle von Logistikimmobilien neu denken müssen, und erste Einblicke in die Studienergebnisse:

Wo stehen wir?

An einem Punkt, an denen den Tatsachen ins Auge geblickt werden muss. Auch in Dortmund. Auch auf der BUILDINX. Jannick Höper wusste um die Größe seiner Aufgabe: „Sie werden Widerstand verspüren und manche Dinge nicht glauben, das ist normal. Aber gegen Physik und Naturgesetze kann man wenig machen.“ Auf Grundlage teils bereits seit beinahe 50 Jahren bekannter Annahmen und Erkenntnisse machte Höper deutlich, dass die Temperaturveränderung auf der Erde real ist und an Bedeutung zunimmt. Wie schon in seinem Impulsvortrag im Rahmen unserer Veranstaltungsreihe „LIST auf den Punkt.“ zeigte er ebenso auf, woher die Veränderungen kommen: vom Menschen. Die Verteilung der Kohlenstoff-Isotope in der Atmosphäre liefere dafür den eindeutigen Beweis. Die Realität ist da, die Reaktion muss kommen.

Wo geht es hin?

Auf direktem Weg zur Frage „Wie kommen wir weg vom ‚Jeder versorgt sich selbst‘ und hin zum ‚Warum nicht Logistikhallen nutzen, um einen Ort zu versorgen und die E-Mobilität zu stärken?“ Die Vision: eine Gewerbeimmobilie als Energielieferant nicht nur für sich selbst, sondern als Unterstützung für einen Ort . Gedanken wie diese seien laut Höper lange kaum verfolgt worden.

Was bringt uns unter Zugzwang?

Druck gibt es von drei Seiten:

  1. Fossile Energieträger wie Erdgas werden teurer: Höper zeigte in Dortmund auf, wie sich die sinkende Nachfrage auf die Entwicklung der Netzentgelte auswirkt und welche Faktoren darüber hinaus Einfluss auf den Erdgaspreis nehmen. Betreiber der Netze hätten seit einiger Zeit die Möglichkeit, die Netze über kürzere Zeiträume abzuschreiben, was die Entgelte weiter nach oben treibe. Auch steigende CO2-Preise, der ab 2027 nicht mehr festgelegt ist, sondern über den freien Emissionshandel gebildet wird, treiben den Erdgaspreis. „Und diese Dynamik wird weiter zunehmen“, erklärte Höper.
  2. Der Zustand der Energienetze: Für Höper werde immer wieder deutlich, dass erheblicher Nachholbedarf in Aufbau und Zustand der Energienetze bestehe, um kommende Herausforderungen bewältigen zu können. Gescheiterte Realisierungen von Photovoltaik-Anlagen aufgrund von fehlenden Kapazitäten in den Netzen seien keine Ausnahme.
  3. Der gesetzliche Rahmen der Kommunalen Wärmeplanung: Mit dem „Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze“ , auch Wärmeplanungsgesetz genannt, und dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) hat die Politik einen engen Rahmen für die Energiewende geschaffen. Höper nutzte die BUILDINX, um mit einem Irrglauben aufzuräumen: „Die Kommunale Wärmeplanung bedeutet erst einmal nur eine Bestandsaufnahme, welche Netze es gibt, wo ausgebaut werden könnte und welches Potenzial sich bietet. Das ist noch keine Planung und erst recht kein Ausbau.“
  4. Der Rückbau der Erdgas-Versorgung: Die im Sommer in Kraft getretene EU-Binnengasrichtlinie verpflichtet die Betreiber von Gasverteilnetzen, Stilllegungspläne zu entwickeln, wenn sie eine sinkende Nachfrage nach Erdgas erwarten: Die Stadt Mannheim will ab 2035 aus der Gasversorgung aussteigen und Leitungen stilllegen. Auch München, Hannover und Stuttgart arbeiten bereits an den Plänen. Erste Städte reagieren also bereits auf das Gebäudeenergiegesetz, das fossile Energiequellen ab 2045 verbietet.
Wie kann es klappen?

In ihrer Studie gehen LIST Eco, FIEGE Real Estate und Siemens der Frage nach, ob Logistikimmobilien das Zeug zum Energielieferanten haben. Ziel ist die systematische Analyse der Integration von Logistikimmobilien in die Kommunale Wärmeplanung. Gesucht werden Erkenntnisse darüber, welche Bedarfe und Potenziale Logistikimmobilien stellen und bieten. Laut Höper gehe die Studie einen entscheidenden Schritt weiter: „Wir befassen uns nicht nur mit Wärme, sondern auch mit Strom.“ Vieles dreht sich dabei um die Installation und Nutzung von Photovoltaik-Anlagen auf den Hallendächern.

Dafür kommen sieben Thesen auf den Prüfstand:

  1. Logistikimmobilien als zentrale Ankerpunkte und resilienter Knoten für dezentrale Energiesysteme
  2. Logistikimmobilien als integrierte Energiequellen in der kommunalen Wärme- und Stromversorgung
  3. Integration von Wasserstoffproduktion und -nutzung in Logistikimmobilien zur Flexibilisierung der Wärme- und Stromversorgung
  4. Einsatz von Batteriespeichern an Logistikimmobilien zur Stabilisierung und Optimierung der Energieversorgung
  5. Effiziente Nutzung von Abwärme aus Logistikprozessen in kommunalen Wärmenetzen
  6. Kommunale Kooperation und Energiegenossenschaften zur Integration von Logistikimmobilien
  7. Vorausschauende Flächennutzungsplanung zur Optimierung der energetischen Potenziale von Logistikimmobilien

Die Ausgangslage ist vielversprechend: „Schon deshalb, weil es sehr viel Fläche gibt, die zur Verfügung steht“, erklärte Höper. Schätzungsweise 362 Millionen Quadratmeter Dachfläche auf Logistikimmobilien könnten in Deutschland eine Gesamtleistung von 36,6 Gigawatt erzielen. Auch im kleineren Maßstab würden die Möglichkeiten laut Höper deutlich: Für die Studie hat LIST Eco einen Datensatz mit über 100 von der LIST Gruppe realisierten Logistikimmobilien erstellt. Die Gesamtdachfläche von mehr als 2.000.000 qm biete großes Potenzial für die Gewinnung fossilfreier Energie aus Photovoltaik-Technik. „Damit könnten mehr als 85.000 Haushalte mit mindestens drei Personen oder eine ganze Kleinstadt versorgt werden.“

In der Studie sollen anhand eines realen Fallbeispiels, einer 90.000qm großen und 30.000qm Dachfläche umfassenden Halle, Rückschlüsse gezogen werden, welche Rolle Logistikimmobilien als Energiequelle und Energiesenke einnehmen können. Ziel ist es, belastbare Erkenntnisse darüber zu gewinnen, ob die Halle für den Aufbau einer Energiegenossenschaft geeignet ist – als Blaupause für die Vision der Logistikimmobilie als Energielieferant.

„Wir haben für die Studie als Fallbeispiel bewusst eine Bestandsimmobilie ausgewählt“, erklärte Höper. Denn Dachfläche sei nicht gleich Dachfläche. Neubauten seien im Normalfall bereits „PV-ready“, im Bestand sei das mitunter komplizierter. „Die statischen Voraussetzungen für eine Anlage sind nicht immer gegeben. Dann stellt sich die Frage, ob sich eine Dachsanierung lohnt.“ Im Fallbeispiel der Studie wird dazu die mögliche Umrüstung des Heizungs- und Wärmesystems der Halle genauer untersucht.

Wie geht es weiter?

Die Arbeiten an der Studie sind in vollem Gange und sollen im Frühjahr 2025 abgeschlossen sein. Es zeichne sich aber bereits ab, dass große Gewerbeflächen und Flächen mit vielen Gebäuden von Wohnungsbaugesellschaften einen großen Beitrag zur fossilfreien Wärme- und Stromversorgung leisten können.

Ziel ist es, das Fallbeispiel bereits in die am Standort laufende kommunale Wärmeplanung zu integrieren. Schon vor Abschluss und Ergebnis der Studie ist für Jannick Höper klar: „Nachhaltigkeit ist längst eine wirtschaftliche Rationalität.“

Und sonst so, BUILDINX 2024?

Drei Tage in Dortmund haben deutlich gemacht: Die Branche kommt durch diese neue wirtschaftliche Rationalität in Bewegung. Es geht in den kommenden Jahren bei der Realisierung von Logistikimmobilien nicht nur um das „Was?“, sondern auch um das „Wie?“ und um mehr als die richtige Bauweise. Viele der Inputsessions und Panel-Diskussionen drehten sich darum, wie die Akzeptanz von Logistikimmobilien steigen kann.

Kommunikation

Dass genau dort Aufholbedarf besteht, machte Uwe Berndt deutlich. Der Marketing-Experte hat festgestellt, dass das Vertrauen von Bürger:innen, aber auch von Kommunen in Logistikprojekte vor der eigenen Haustür gelitten hat. Aspekte wie steigende Verkehrs- und Lärmbelastung oder erhöhte Unfallgefahr im direkten Umfeld von Logistikimmobilien könnten von Argumenten nicht mehr aufgefangen werden, die darauf abzielen, dass Konsum und kurze Lieferketten dadurch erst möglich werden. Hilfe zur Abhilfe sei durch „enkelfähige“ und damit nachhaltige Projektentwicklung in der Baupraxis schon möglich – ergänzt von einer Verbesserung der Kommunikation. Es ist Zeit für Real Talk im Real Estate: mit frühzeitiger Beteiligung aller Beteiligter, echtem Dialog, Offenheit und Transparenz sowie einer radikalen Empfängerorientierung.

Standorte

Mike Evers, Head of Business Development Business Parks bei Panattoni Europe, verlor keine Zeit in Sachen Klarheit: „Big Box auf der grünen Wiese können wir alle.“ Im Panel zur „Innovativen Stadtentwicklung / Akzeptanz von Logistikimmobilien“ wurden aktuelle Herausforderungen und schon gefundene Lösungen diskutiert. Je näher die Standorte an Innenstädte heranrückten, desto anspruchsvoller werde es. „Brownfields und die Revitalisierung sind der Türöffner“, meinte Evers.

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Über Jannick Höper

Jannick Höper, M.Eng., ist geschäftsführender Gesellschafter bei LIST Eco und Experte für Nachhaltiges Bauen, EU-Taxonomie und BIM. Parallel zu seiner Tätigkeit bei der LIST Gruppe promoviert er am BIM Institut der Bergischen Universität Wuppertal zur Entwicklung von Methoden zur Automatisierung der ökologischen Analyse der Technischen Gebäudeausrüstung in frühen Projektphasen unter Einbindung der open BIM-Methode.